Plötzlich Fee - Sommernacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Sommernacht - The Iron Fey, Book 1: The Iron King
Robbie fest meine Hand.
»Bleib dicht bei mir«, murmelte er, während wir uns den belebteren Gängen näherten.
Angie und drei ihrer Groupies standen neben den Schließfächern, tratschten und knallten mit ihren Kaugummis. Mein Magen verkrampfte sich und mein Herz begann zu rasen.
Robbie drückte meine Hand. »Schon okay. Lass mich nicht los und sprich mit niemandem. Sie werden gar nicht merken, dass wir da sind.«
Wir näherten uns den Mädchen, und ich stellte mich darauf ein, dass sie mit Gelächter und fiesen Kommentaren über mich herfallen würden. Aber als wir vorbeigingen, würdigten sie uns keines Blickes, obwohl Angie gerade dabei war, meinen schmachvollen Rückzug aus der Cafeteria zu schildern.
»Und dann hat sie voll losgeheult«, erzählte Angie gerade. Ihre näselnde Stimme hallte durch den ganzen Flur. »Und ich dachte mir, ey, die ist ja so ein Loser. Aber was will man erwarten, bei so einem Inzest-Bauerntrampel?«
Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern und beugte sich vor. »Ich habe gehört, dass ihre Mom ein etwas zu inniges Verhältnis zu ihren Schweinen hat, wenn ihr wisst, was ich meine.«
Die Mädchen begannen entsetzt zu kichern, während ich innerlich fast ausflippte. Doch Robbie hielt meine Hand fest und zog mich weiter. Ich hörte, wie er etwas vor sich hin murmelte, und dann spürte ich eine Art Vibration in der Luft, wie ein Donner ohne Ton.
Hinter uns begann Angie zu schreien.
Ich versuchte mich umzudrehen, aber Robbie zerrte mich weiter und schob uns durch die Menge, während die anderen Schüler ihre Köpfe zu dem Geschrei umwandten. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich erkennen, wie Angie ihre Nase mit den Händen bedeckte, und ihre Schreie klangen immer mehr wie das Quieken eines Schweins.
Der Wechselbalg
Die Busfahrt nach Hause verlief schweigend, zumindest was Robbie und mich betraf. Zum Teil lag das daran, dass ich keine Aufmerksamkeit erregen wollte, doch vor allem ging mir so viel durch den Kopf.
Wir saßen ganz hinten auf der letzten Bank, und ich hatte mich ans Fenster gedrückt, sodass ich die Bäume anstarren konnte, die vorbeizogen. Mein iPod lief und ich hatte die Musik richtig laut gestellt, was aber nur ein Vorwand war, um nicht reden zu müssen.
Angies schweineartige Schreie dröhnten mir immer noch in den Ohren. Das war wahrscheinlich das Schrecklichste gewesen, was ich je gehört hatte, und obwohl sie ein gemeines Miststück war, fühlte ich mich irgendwie schuldig. Ich zweifelte nicht daran, dass Robbie irgendetwas damit zu tun hatte, auch wenn ich es nicht beweisen konnte. Genau genommen hatte ich sogar Angst davor, das Thema anzusprechen. Robbie schien auf einmal ein ganz anderer Mensch zu sein. Er war still und grüblerisch und beobachtete die anderen Leute im Bus wie ein lauerndes Raubtier. Er verhielt sich seltsam — seltsam und unheimlich – , und ich fragte mich, was wohl mit ihm los war.
Dann war da noch dieser eigenartige Traum, bei dem ich langsam nicht mehr sicher war, ob es überhaupt ein
Traum gewesen war. Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass die vertraute Stimme, die mit der Krankenschwester gesprochen hatte, Robbies Stimme gewesen war.
Irgendetwas ging hier vor sich, etwas Seltsames, Unheimliches und Angst einflößendes, doch das Erschreckendste daran war, dass es ein normales, vertrautes Gesicht trug. Verstohlen musterte ich Robbie. Wie gut kannte ich ihn eigentlich, also, so richtig? Wir waren befreundet, seit ich denken konnte, und trotzdem war ich noch nie bei ihm zu Hause gewesen oder hatte seine Eltern kennengelernt. Wenn ich mal vorgeschlagen hatte, dass wir uns ja bei ihm treffen könnten, hatte er immer irgendeine Ausrede gehabt: Seine Eltern wären nicht da oder die Küche würde gerade renoviert — eine Küche, die ich noch nie gesehen hatte. Das war schon eigenartig, aber noch befremdlicher fand ich, dass ich mich nie darüber gewundert hatte, es nie hinterfragt hatte, bis heute. Robbie war einfach da, als wäre er aus dem Nichts erschienen, ohne Zusammenhang, ohne Zuhause, ohne Vergangenheit. Welche Musik hörte er am liebsten? Hatte er Ziele, die er in seinem Leben erreichen wollte? War er schon einmal verliebt gewesen?
Überhaupt nicht, flüsterte mir mein Verstand beunruhigenderweise zu. Du kennst ihn überhaupt nicht. Der Gedanke ließ mich frösteln.
Ich sah wieder aus dem Fenster. Der Bus hielt an einer Kreuzung, und ich stellte fest, dass wir die Vororte mittlerweile hinter
Weitere Kostenlose Bücher