Plötzlich Fee - Sommernacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Sommernacht - The Iron Fey, Book 1: The Iron King
als sei er geisteskrank. »Ist das nicht ein … ein …«
»Feenwesen«, beendete Robbie den Satz für mich. »Ein Wechselbalg ist ein Feensprössling, der mit einem menschlichen Kind vertauscht wurde. Normalerweise ist es ein Troll oder ein Kobold, doch es gab auch schon Fälle, in denen die Sidhe – adelige Feen – den Tausch vorgenommen haben. Dein Bruder wurde ausgetauscht. Dieses Ding ist genauso wenig Ethan wie du oder ich.«
»Du bist verrückt«, flüsterte ich. Säße ich nicht auf dem Sofa, wäre ich jetzt langsam in Richtung Tür vor ihm zurückgewichen. »Du bist völlig wahnsinnig. Vielleicht solltest du weniger Mangas lesen, Rob. So etwas wie Feenwesen gibt es nicht.«
Robbie seufzte. »Wirklich? Das ist also deine Meinung? Wie vorhersehbar.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Von dir hätte ich mehr erwartet, Prinzessin.«
»Mehr? Von mir? «, schrie ich und sprang auf. »Hör dir doch mal selbst zu! Erwartest du etwa, ich glaube, dass mein Bruder irgend so eine Elfe ist, mit Glitzerstaub und Schmetterlingsflügeln?«
»Mach dich nicht lächerlich«, tadelte Robbie mich milde. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest. Du denkst an Tinker Bell, eine typisch menschliche Reaktion auf das Wort Fee . Die echten Feenwesen sind nicht so.« Er zögerte. »Na ja, außer den Blumenelfen natürlich, aber das ist eine andere Geschichte.«
Ich schüttelte den Kopf, meine Gedanken überschlugen sich. »Ich kann mich jetzt nicht damit befassen«, murmelte ich und wich vor ihm zurück. »Ich muss nach Ethan sehen.«
Robbie zuckte mit den Schultern, lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Ich warf ihm noch einen letzten Blick zu, dann rannte ich die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu Ethans Zimmer.
Drinnen herrschte Chaos. Ein Kriegsschauplatz aus zerstörten Spielsachen, Büchern und verstreuten Klamotten. Ich suchte nach Ethan, doch das Zimmer schien leer zu sein. Bis ich ein kratzendes Geräusch hörte, das unter seinem Bett hervordrang.
»Ethan?« Ich kniete mich hin, schob kaputte Actionfiguren und zerbrochene Baukastenteile zur Seite und spähte in den Spalt zwischen Matratze und Boden. Im tiefsten Schatten entdeckte ich eine kleine Gestalt, die sich mit dem Rücken zu mir in eine Ecke drückte. Sie zitterte.
»Ethan«, rief ich leise. »Bist du okay? Warum kommst
du nicht mal kurz raus? Ich bin nicht böse auf dich.« Okay, das war gelogen, aber eigentlich war ich eher bestürzt als sauer. Am liebsten wollte ich Ethan nach unten schleifen und beweisen, dass er kein Troll oder Wechselbalg oder sonst was war, wie Robbie behauptet hatte.
Die Gestalt bewegte sich, und Ethans Stimme drang unter dem Bett hervor. »Ist der unheimliche Mann noch da?«, fragte er ängstlich.
Vielleicht hätte ich sogar Mitleid mit ihm gehabt, wenn mein Bein nicht so wehgetan hätte. »Nein«, log ich, »er ist weg. Du kannst rauskommen.«
Ethan rührte sich nicht, was mich noch mehr reizte.
»Das ist doch lächerlich, Ethan. Jetzt komm schon raus!« Ich schob den Kopf unter das Bett und streckte die Hand nach ihm aus.
Ethan fuhr zischend zu mir herum. Seine Augen flackerten gelb und er schnappte nach meinen Fingern. Ich riss die Hand gerade noch rechtzeitig zurück, als seine Zähne, die gezackt und spitz waren wie die eines Hais, mit einem schrecklichen Geräusch aufeinanderschlugen. Ethan fauchte. Seine Haut war bläulich wie die eines ertrunkenen Babys, und seine gefletschten Zähne blitzten in der Dunkelheit. Kreischend krabbelte ich rückwärts, wobei sich Legosteine und Bauklötze in meine Handflächen bohrten. Als ich an die Zimmerwand stieß, sprang ich auf, wirbelte herum und flüchtete durch die Tür – und prallte prompt mit Robbie zusammen, der davor stand.
Er packte meine Schultern, während ich hysterisch weiterschrie, und ohne wirklich zu realisieren, was ich tat, nach ihm schlug. Er ließ die Attacke wortlos über sich
ergehen und hielt mich einfach nur fest, bis ich zusammensackte und den Kopf an seine Brust drückte. Und er hielt mich weiter, während ich meiner Angst und Wut schluchzend Luft machte.
Irgendwann versiegten die Tränen, und ich fühlte mich nur noch leer und erschöpft. Schniefend trat ich zurück und rieb mir zitternd die Augen. Robbie stand immer noch ganz ruhig da, sein T-Shirt nass von meinen Tränen. Ethans Zimmertür war geschlossen, aber ich konnte durch das Holz gedämpftes Rumpeln und ein gackerndes Lachen
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