Plötzlich geküsst - Magische Zeiten ; 3
geschlafen. Wie geht es euch denn heute?«
»Ich denke die ganze Zeit darüber nach«, sagte ich, »wie ich dich nennen soll. Das mit der Tante hat zwar noch nie gestimmt, aber jetzt stimmt es ja überhaupt nicht mehr.«
»Mich stört es nicht, irgendwie sind wir ja daran gewöhnt.« Sie boxte mir leicht in die Seite. »Aber das ist deine Entscheidung, du kannst ab sofort auch Emmi zu mir sagen.«
Emmi, überlegte ich. Nein, das ging irgendwie nicht. Vielleicht in ein paar Jahren, aber nicht jetzt, von einer Sekunde auf die andere.
Suse trank einen Schluck von dem dampfenden Tee. »Wie ist es denn weitergegangen? Ich meine, irre, du warst auf einmal in der Zukunft, ohne Geld und im Rüschenkleid. Was hast du da gemacht?«
Luna beugte sich neugierig vor, damit sie auch ja jedes Wort mitbekam.
»Ich habe die Uhr versetzt, die Elsa mir zur Hochzeit geschenkt hatte.« Tante Emmi grinste. »Die war damals schon ziemlich wertvoll. Aber dann hat mich der Typ im Pfandhaus ganz überrascht angesehen und gesagt, dass sie sehr viel wert wäre und er eine ungefähr achtzig Jahre alte Uhr überhaupt noch nie in einem so guten Zustand gesehen hätte.«
Wir mussten lachen. Als Tante Emmi wieder ernst geworden war, fuhr sie fort: »Er fragte mich also, ob ich mir das nicht noch einmal überlegen wollte. Aber was sollte ich tun?«
»Ja, was solltest du tun?«, wiederholte Luna mit aufgerissenen Augen.
»Ich habe für die Uhr dann tatsächlich 2500 Euro bekommen, mir ein billiges Hotelzimmer gesucht, was zum Anziehen gekauft und ⦠nun ja, mich, so gut es ging, auf den neuesten Stand gebracht. Irgendwie hoffte ich die ganze Zeit noch immer, dass alles nur ein Riesenirrtum wäre und ich eines Morgens wieder in meiner eigenen Zeit aufwachen würde. Deshalb bin ich jeden Tag um dieselbe Zeit an die dieselbe Stelle am Gartenzaun zurück und habe auf ein Wunder gewartet.«
»Aber nüscht, kein Wunder«, murmelte Luna kopfschüttelnd. »Wenn ich in der Zukunft stecken bleiben würde, was würde ich dann wohl tun?« Sie guckte in den Himmel. »Hm, ich könnte euch vielleicht eine EMail schreiben. Rückwirkend. In die Vergangenheit. Oder?« Bevor wir antworten konnten, sagte sie schon: »Ãh. Quatsch, das geht ja auch nicht.«
Wir schüttelten alle drei gleichzeitig den Kopf.
»Und weil ich da immer wieder an derselben Stelle stand«, fuhr Tante Emmi fort, »habe ich auf diese Weise deine Mutter kennengelernt, Marli. Wir haben uns schnell angefreundet und sofort wie blind verstanden.« Jetzt strich sie mir über die Wange. »Und dich habe ich auch gleich ins Herz geschlossen. Du warst so ein süÃes Kind, du hast immerzu gelacht und gestrahlt. Du warst wirklich umwerfend.«
»Echt?«, fragte ich.
»Echt. Wir haben sonntags gemeinsam gekocht und gegessen und dann bin ich mit dir auf den Spielplatz und manchmal habe ich dich abends ins Bett gebracht. Obwohl ich so traurig war, waren es auch wunderschöne Zeiten.« Sie seufzte sehnsüchtig. »Wenn ich nicht bei euch war, habe ich versucht, mir möglichst unauffällig Informationen zu besorgen, um in diesem für mich unfassbaren Jahr 2003 zurechtzukommen. Computer und Internet und Handys und Fernseher und die Musik ⦠ihr könnt euch vorstellen, dass ich völlig platt war. Manches hatte ich zwar schon bei meinen früheren Besuchen gesehen, aber immer nur kurz, und ich hatte mir nie besonders viele Gedanken darüber gemacht. Noch Tee?«
Wir warteten, bis sie die Becher gefüllt hatte, nahmen sie dann gleichzeitig hoch und wärmten unsere Hände. Es war nämlich inzwischen ziemlich kühl geworden.
»Ich hatte ja nichts gelernt«, erzählte Tante Emmi weiter, »und fing deshalb irgendwann an, mir mit altem Schmuck etwas Geld zu verdienen, darin war ich ja quasi Expertin.«
Suses Augen leuchteten auf. »Wir auch! Wir haben uns Freundschaftsarmbänder gemacht, schau mal.« Sie streckte ihren rechten Arm aus und zeigte ihr das rote Lederband mit dem Türkis. Wir alle drei hatten so eines.
Tante Emmi lächelte. »Super. Wir können ja irgendwann passende Ohrringe dazu basteln, was meint ihr?«
Wir nickten.
Tante Emmi lächelte und dann wurde ihr Gesicht ganz traurig. »Nicht viel später wurde deine Mutter sehr krank, Marli.« Sie legte eine Hand auf mein Bein. »Es ging alles
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