Ploetzlich Mensch
anderen erlebt, ihre Körper nicht miteinander vereint.
Sie saßen einfach nur splitternackt da, völlig dem Blick des anderen ausgeliefert und doch meilenweit voneinander entfernt.
Als Clara aufstand, ihre am Boden verteilten Kleidungsstücke z u sammenraffte und sich ohne ein weiteres Wort zu sagen wieder anzog, konnte er ihre Frustration und Enttäuschung deutlich spüren.
Wie gern hätte er sie jetzt in seine Arme geschlossen, sie getröstet und an sich gedrückt. Doch die Gefahr, dass die Übertragung dabei stattfinden würde, war zu groß und er war sich nicht sicher, ob er seine Instinkte noch einmal würde unter Kontrolle halten können, wenn er erneut ihren warmen, weichen Körper spürte. Er seufzte, nicht minder frustriert wie sie.
Clara hatte sich mittlerweile wieder komplett angezogen, während er noch immer nackt auf dem Bett hockte. Sie ging zur Tür.
„ Ich brauche frische Luft.“
„ Kommst du wieder?“ Es kostete ihn Überwindung, diese Frage zu stellen, aus Angst vor der Antwort, die sie ihm geben würde.
„ Wo sollte ich sonst schon hingehen?“
„ Clara, ich …“
Sie schnitt ihm einfach das Wort ab. „Ich vertrete mir nur ein wenig die Beine. In der Zwischenzeit kannst du ja deinen tiefgründigen Gr ü beleien nachhängen. Vielleicht kommst du zu einem sinnvollen Schluss.“ Mit einem Knall flog die Tür hinter ihr ins Schloss.
Verflixt, wenn er nur selbst wüsste, was er wollte. Sein Verstand schrie nach Zurückhaltung, während seine noch immer halbwegs au f recht stehende Männlichkeit genau das Gegenteil verkündete.
Auf wen von beiden sollte er hören?
*
Clara schwirrte der Kopf. Als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das kühle Holz und ve r suchte ihre Gedanken zu ordnen.
Was zur Hölle war da gerade passiert? Es war so schön gewesen. Nach diesem furchtbaren Tag in seinen Armen liegen zu können. Se i nen warmen Körper zu spüren, seine Erregung und seine Küsse auf ihrer nackten Haut. Wie er da vor ihr gekniet hatte, splitternackt, zw i schen ihren Beinen, bereit sie zu lieben. Sie hatte noch nie in ihrem Leben so sehr das Bedürfnis verspürt, sich mit einem Mann zu vere i nen. Allein bei dem Gedanken daran verspürte sie schon wieder ein intensives Kribbeln zwischen ihren Beinen.
Verdammt, v erdammt, v erdammt! Wie hatte er sie einfach so abbli t zen lassen können? Das war nicht fair!
Sie seufzte frustriert, stieß sich von der kitschigen Tür ab und schlenderte den Flur hinunter.
Warum hatte er diesen wunderschönen Moment der Sorglosigkeit zerstören müssen? Nun waren all die Sorgen wieder da und neue noch dazu, nach dem, was er ihr erzählt hatte.
Ihr Siegel war also instabil. Bedeutete das, dass sie über kurz oder lang keine andere Wahl hatte, als in den Tempel zurückzukehren? Jetzt, wo sie es endlich geschafft hatte, sich von ihrem alten Leben zu lösen. Nein, das durfte einfach nicht wahr sein!
Sie blieb vor einem großen Bild im Eingangsbereich des Hotels st e hen. Es war die Nachbildung eines berühmten Gemäldes und zeigte einen auf dem Boden sitzenden Wolpertinger, an den sie sich noch von früher erinnern konnte. Als kleines Mädchen hatte sie immer ein wenig Angst vor den bedrohlich lauernden gelben Augen des Tiers gehabt, wenn sie ihre Mutter hier besuchte.
Sie schlenderte weiter, zur gläsernen Eingangstür hinaus und den schmalen Schotterweg entlang, der ums Haus herum zu der kleinen Plattform vor dem Wasserfall führte. Die Sonne war mittlerweile fast untergegangen und der rosa-gelbliche Schimmer hatte dem Weiß der Scheinwerfer Platz gemacht, die die Quelle bei Nacht anstrahlten.
Sie lehnte sich gegen das metallene Geländer und starrte eine Weile lang einfach nur in die Gischt der leise dahinplätschernden Wasserma s sen. Dieser Anblick hatte etwas ungemein Beruhigendes an sich und gab ihr für einen kleinen Moment den inneren Frieden wieder.
„ Ein wunderschöner Anblick, nicht wahr?“ Grundgütiger. Jemand war neben sie getreten und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Der ju n ge Mann, der etwa ihr Alter haben musste, lächelte ihr freundlich zu und wandte sich dann wieder zum Wasserfall um.
„ Die Leute hier im Ort nennen ihn die Liebesquelle. Angeblich hält die Liebe eines Pärchens für ewig, wenn sie beide eine Münze in das Wasser werfen“, erzählte er weiter, wobei seine Finger gedankenverl o ren mit einem silbernen Geldstück spielten.
„ Und für wen werfen
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