Plötzlich Royal
der Tat ist Seine Majestät zutiefst besorgt und als sein Ehemann teile ich die Sorge darum, welche Wirkung dieser Angriff auf die LGBT-Mitbürger langfristig haben könnte. Im Unterschied zum Streit um Evolution und Urknall ist es viel persönlicher. Die Wissenschaft hat dargelegt, dass wir unsere sexuelle Orientierung nicht nach dem freien Willen wählen.“ Simon blickte mit einem etwas künstlichen Lächeln auf seinen Bildschirm. Womöglich war er via Webcam live drauf?
„In der Wirkung ist das nicht vergleichbar, Mr Cooper“, ging sein Interview weiter. „Beim Urknall ist die Ablehnung durch religiöse Gruppierungen vielleicht etwas ärgerlich für manche Astronomieprofessoren. Die können aber mit einem Kopfschütteln darüber hinwegsehen. Bei uns LGBT-Menschen entscheidet dieser Konflikt zwischen Wissenschaft und konservativ ausgelegter Bibel darüber, ob wir ein erfülltes Leben führen können oder viele Jahre unseres Lebens hinter Gitter oder zwangsweise in der Psychiatrie verbringen. Nein, diese Frage ist zu politisch. Ich bin nur der Prince Consort. Ich danke Ihnen, Mr Cooper.“
Simon blickte von seinem Bildschirm auf und zu mir herüber.
„Das war CNN.“
Das Spielchen wiederholte sich noch einige Male. Sogar Timm durfte ein paar Sätze für ABC und Sky News sprechen. Ich wunderte mich, dass Grant noch nicht in unserem Büro um Rücksicht auf die Krone gebeten hatte und Cramer nicht wütend anrief, was das schon wieder sollte. Die Times ließ es bei einer eher unauffälligen Notiz bewenden, während CNN erstaunlicherweise um elf Uhr eine recht große Sache daraus machte unter dem Titel: „Der König ist zutiefst besorgt.“ Das Webcam-Interview mit Simon wurde in voller Länge gesendet. Danach durfte mir jemand von einer US-amerikanischen Schwulenorganisation volle Unterstützung zusichern und ein Referent meinte, dass man dieser kleinen Randgruppe einmal mehr viel zu viel Beachtung schenke und darüber den Hunger in Afrika vergesse. Vor Gott sei der britische König ledig, musste er betonen.
Da CNN in der Welt definierte, was eine Nachricht war, hatten Simon und ich nun die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Nur die deutsche Tagesschau ignorierte uns, die sich noch nie getraut hatte, solche Themen in ihrer Hauptsendung aufzugreifen.
Beim Mittagessen im Grünen Saal taten alle so, als hätten sie nichts gemerkt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Grant meinen Aufruf nicht mitbekommen hatte. Jedoch war ich mir dessen bewusst, dass ich ihn nicht hätte übergehen dürfen, und war beim Mittagessen besonders freundlich zu ihm.
„Majestät, Ihr Gouverneur von Jamaika, Sir Patrick Kimber, ist eben vom Flughafen eingetroffen und bittet dringend um eine Audienz“, meldete Butler Fletcher, als wir nach dem Mittagessen zurück in unseren Büros waren. Ich öffnete am Computer meinen Kalender.
„Wir gehen nachher um vierzehn Uhr ins Krankenhaus zu Sir Geoffrey“, erklärte ich dem Butler. Die Audienz für Sir Kimber war bereits im Kalender eingetragen. „Fünfzehn Uhr Sir Kimber, ist vermerkt“, bestätigte ich dem Butler, während ich es tippte.
Simon und Timm beantworteten die E-Mails von Persönlichkeiten und Journalisten, verteidigten dabei höflich, aber bestimmt die Kernpunkte des Statements. Ich schaute inzwischen auf Wikipedia nach Details über Patrick Kimber und druckte sie aus, damit ich sie auf dem Weg ins Krankenhaus lesen konnte. Simon wollte lieber im Büro bleiben.
John begleitete mich in die Tiefgarage und deutete auf einen neuen, bulligen Wagen mit grünlichen Fenstern. Die USA hätten uns diese Panzerlimousine der Sicherheitskategorie zehn zum Freundschaftspreis überlassen. Das Geld habe mein Vater freundlicherweise aus seiner Portokasse bezahlt, bemerkte John ironisch und hielt mir die Tür des Wagens auf.
Manche denken wohl, es sei cool, wie Obama in einer Panzerlimousine zu fahren. Für mich war es eher beklemmend. Ich fühlte mich regelrecht eingesperrt, als wir zwischen zwei Polizeifahrzeugen mit Blaulicht aus der Tiefgarage hinausfuhren, an den salutierenden Household Guards vorbei und auf die Mall. Die Fahrt im Luxuspanzer zum Krankenhaus dauerte etwa eine Viertelstunde. Wir mieden den Vordereingang und benutzten stattdessen die Tiefgarage. Pressebilder seien hier laut Premier Cramer unerwünscht, erklärte mir John.
Die Limousine hielt bei den Fahrstühlen; ein roter Teppich von ein paar Metern Länge führte zu einem von ihnen. Ein Fotograf war für
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