Plötzlich Royal
Heuelsteig stationierte Sicherheitsdienst unser Outfit nicht mitkriegen würde. Zudem wollte ich keine heterosexuelle Bewachung beim Ausgehen in der Schwulenszene dabei haben.
Wir waren bereits um neunzehn Uhr in Züri-West beim Rainbow Dome. Das Vergnügungs- und Freizeitzentrum für Schwule bestand aus einem Kino, einem Restaurant, das auch aufgeschlossenen Heterosexuellen zumutbar war, und dem reinen Gay-Bereich: eine Disco, ein Pub mit weniger lauter Musik und ein Darkroom. In den Keller konnten mich keine hundert Pferde ziehen, doch ohne so etwas hätte der Laden zu wenig Publikum gehabt.
Wir hatten keine SMS von Timms Landung in Zürich erhalten, deshalb schickte ihm Simon zur Sicherheit eine Nachricht auf sein Handy, wir seien im Restaurant des Rainbow Dome, obwohl wir bereits vereinbart hatten, er soll vom Flughafen gleich hierherkommen. Dann deponierten wir die Tasche mit unseren Alltagsjeans und unseren Mobiltelefonen in einem Schließfach. Simons Handy war hier schon einmal geklaut worden, seither gingen wir lieber auf Nummer sicher.
Wir setzten uns in das gut besuchte Restaurant, mit Panoramablick auf das Autobahnende und das aufziehende Gewitter über dem Uetliberg, und bestellten den Fitnessteller. Schnell wurden die freien Tische weniger und die ersten taxierenden Blicke gingen in unsere Richtung. Wir waren als Paar erkennbar, da Simon dicht neben mir saß und sich wohl entschlossen hatte, heute auf mich Acht zu geben. Vermutlich hatte er auch dahingehend recht, dass ich für einen Prinzen etwas über die Stränge schlug. Aber das hatten ja Harry und Fergie auch gelegentlich getan.
Nach einer knappen halben Stunde wollte Simon zum Schließfach gehen, um nachzusehen, ob Timm angerufen oder geschrieben habe. Doch da betrat gerade unser etwas verloren wirkender Junge gerade das Restaurant. Ich hätte Timm fast nicht erkannt. Um Bill Kaulitz möglichst ähnlich zu sehen, hatte er seine roten Haare schwarz gefärbt und frech zu einem Kamm aufgestellt. Zudem trug er ein enges Lederoutfit, wie es der Dress-Code verlangte. Selbstverständlich hatte er seine Fingernägel schwarz lackiert und war geschminkt wie der Sänger. Simon, der enthusiastischer Tokio-Hotel-Fan war, winkte Tim zu, der daraufhin ein bezauberndes Lächeln aufsetzte und zu uns an den Tisch kam. Dabei passten seine etwas weiblich-bubenhaften Bewegungen perfekt zum Original seiner Verkleidung. Er bestellte sich wie wir auch den Fitnessteller und entschuldigte sich, dass er sich nicht wie abgemacht nach der Landung gemeldet habe. Am Zürcher Flughafen sei ihm sein Handy zu Boden gefallen und kaputt gegangen.
Simon legte gleich los mit Neuigkeiten über die Band. In Sachen Tokio Hotel unterschieden Simon und ich uns jedoch. Ich fand Bill Kaulitz als Mensch spannend, aber die Musik der vier war nicht so mein Fall, obwohl ich Rock durchaus mochte. Doch das musste ich selbstverständlich für mich behalten. Jedes winzige Detail über die Band wussten die beiden. Timm sah aber gut genug aus, so dass ich das Tokio-Hotel-Gequatsche gern ertrug. Wir tranken nach dem Essen noch etwas und gingen dann mit unserem Jungen in der Mitte und den lüsternen Blicken unserer Tischnachbarn auf unseren Pos in Richtung Kino. Dort lief einmal mehr Milk mit Sean Penn und wir fanden noch Platz, zwar nicht die besten Sitze, aber immerhin. Kurze Zeit später spürte ich die Hand des dünnen Bill-Kaulitz-Imitators auf meinem Oberschenkel. In der Pause meinte Timm, er kenne den Film auswendig, und auch ich hatte wegen der Ereignisse vor ein paar Tagen keine Lust auf die Attentatsszene im zweiten Teil. Deshalb war jetzt Abtanzen angesagt.
„Wie alt seid ihr drei?“, fragte der Türsteher. Für mich hatte die Frage etwas Beruhigendes. Wegen Timm dauerte die Kontrolle einen Moment länger. Die Haarfarbe stimmte ja nicht mit seinem Ausweis überein. Doch zum Glück gab der Aufpasser schließlich nach und stellte fest: „Zwanzig, okay!“
„Wir sind auch zwanzig!“, sagte ich mit etwas Nachdruck in der Stimme. Er schaute auf meine ID und quittierte alles nur mit einem kurzen Grinsen. Dann war keine Kommunikation mehr möglich, der Sound und die Laserstrahlen zogen einen auf die Tanzfläche mit dem in den Boden eingelassenen Regenbogen mit allerlei Lichtspielereien. Wir drei tobten ziemlich herum und merkten erst, als wir schon völlig ausgepowert waren, dass wir die Blicke auf uns zogen. Es war Zeit, an der Bar am Rand der Tanzfläche etwas zu trinken und auf
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