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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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auch, er hatte so eine einschläfernde Stimme, mit der hätte er selbst Hassprediger in den Tiefschlaf versetzen können. Um den Unterricht wenigstens etwas aufzulockern, nahm er uns einmal mit in eine Stadttheater-Aufführung von , in der Schauspieler ständig nackt auf der Bühne herumsprangen. Von dem altertümlichen Text verstand ich kaum ein Wort, und das Einzige, was ich an jenem Abend fürs Leben lernte, war, dass Schauspieler keinen schönen Beruf haben.
     behandelten wir ein ganzes Schul-Halbjahr. Wir mussten uns also wochenlang mit einem unentschlossenen Kerl auseinandersetzen, der gerne mal mit Geistern oder Totenschädeln plauderte - nicht gerade eine Identifikationsfigur für Teenager. Zumindest nicht für welche, die keinen Amoklauf planten. Andere Stücke nahmen wir nicht durch, daher hatte ich sonst nur ein bisschen Ahnung von , weil ich den Film mit Leonardo DiCaprio gesehen hatte. Danach zu urteilen, war Shakespeare ein romantischer Mann, der an die große, wahre Liebe glaubte. Wie ich.
    «Kommen Sie jetzt», forderte Halskrause Walsingham mit harschem Tonfall. Der Mann machte mir Angst. Zwei seiner Soldaten nahmen mich in ihre Mitte, ein weiterer öffnete das Tor. Wir traten aus dem Theater, warme Sonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht - das streng genommen ja nicht mein Gesicht war, sich aber wie mein Gesicht anfühlte -, und ich sah, dass ich mich in einer kleinen Gasse voller windschiefer alter Holzhäuser befand. Die Luft roch so stark nach Urin, wie ich es sonst nur aus der Düsseldorfer Altstadt am Ende der Karnevalstage kannte. Unglaublich viele Menschen waren zu sehen, die meisten davon in zerlumpten Kleidern. Eine Frau, schätzungsweise Ende dreißig, lächelte mich an: «Eine ganze Nacht mit mir kostet dich nur zwanzig Shilling, Süßer.»
    Sie besaß maximal die Hälfte der Zähne, und die verbliebenen hatten auch nur noch eine geringe Halbwertszeit. Ihr Mund sah aus wie der Albtraum von Dr. Best.
    «Verschwinde, Hure!», befahl Halskrause Walsingham.
    «Ich kann auch dir Freude bereiten, Alter», erwiderte sie, «du siehst aus, als ob du deinen Schwanz lange nicht mehr kutschiert hast.»
    Walsingham erwiderte kühl: «Ich werde dich aufsuchen, wenn ich mal das tiefe Bedürfnis verspüren sollte, Furunkel an meinem primären Geschlechtsteil zu bekommen.»
    Die Hure verschwand daraufhin beleidigt und fluchte dabei, dass sie Walsinghams einen längeren Aufenthalt in einem Schraubstock wünschte. Walsingham wiederum rief ihr hinterher, dass der Schraubstock sich wohl zwischen ihren Beinen befand. In dieser Zeit schien es rau zuzugehen, von «Romeo und Julia»-Romantik war hier rein gar nichts zu spüren.
    Walsinghams Soldaten führten mich zu einer schwarzen Kutsche. Er selbst setzte sich mir gegenüber, die Kutsche fuhr los, und ich blickte durch das offene Fenster auf die vollen Gassen. Der Lärm, den die vielen zerlumpten Leute machten, war ohrenbetäubend. Ihre Ausdrucksweise viel derber als in unserer Zeit. Und wenn ich es richtig heraushörte, waren Geschlechtskrankheiten bei ihnen ein äußerst beliebtes Gesprächsthema. Hier hätte meine Mutter bestimmt jemand gefunden, mit dem sie über ihre Vagina-Pilze reden konnte.
    Die Kutsche erreichte einen großen Platz, Hunderte Menschen hatten sich hier vor einer Bühne versammelt, auf der ein Holzklotz stand. Walsingham gab dem Kutscher den Befehl anzuhalten. Ich sah einen Mann mit einer Axt die Bühne betreten. Die Menschen johlten. Ein weiterer Mann wurde von Soldaten auf die Bühne gezerrt, er lag in Ketten und war übel zugerichtet. Die Soldaten drückten den Mann auf den Holzklotz, sodass sein Nacken darauf lag und der Kopf vorn überstand. Ganz klar: Der arme Kerl sollte gleich geköpft werden. Die Leute johlten nun noch mehr und lachten. Man musste schon sagen: Die Menschen hier hatten keinen schönen Sinn für Humor.
    Der Gefangene schrie: «Lang lebe Spanien!»
    Halskrause Walsingham spottete: «Spanien lebt jedenfalls länger als du.»
    Der Henker hielt das Beil nun in der Luft, das Publikum hielt den Atem an. Mir schien dies ein passender Augenblick zu sein, mir interessiert die Innenpolsterung der Kutsche anzusehen.
    Da hörte ich ein dumpfes Geräusch und kurz darauf den Jubel der Massen.
    «Sie haben nicht hingeschaut, Shakespeare», tadelte Walsingham, als sich die Kutsche wieder in Bewegung setzte, und ich erwiderte matt:
    «Ich dachte, es wäre unhöflich, wenn

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