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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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mit Hilfe des Wissens der asiatischen Weisen seine astrologischen Vorhersagen. Dee war alt, hatte buschige Augenbrauen und wirkte nicht wie ein Mann, der außer an der Wissenschaft noch an irgendetwas Interesse besaß.
    «Was wagst du mich zu stören, Hop-Sing?», fragte er den Chinesen mit leiser Stimme, ohne von der Sternkarte aufzublicken.
    «William Shakespeale ist hiel.»
    «Was willst du, Barde?», fragte er, blickte aber immer noch nicht von dem Pergament auf.
    «Ich bin von einem Geist besessen und brauche Ihre Hilfe.»
    «Das interessiert mich nicht», bekam ich als Antwort, und der Alchemist machte eine Handgeste, die mir bedeuten sollte hinauszugehen.
    «Ich...flehe Sie an...», bettelte ich verzweifelt. «Der Geist ist eine Frau...»
    «Dies ist mir einerlei.»
    «... sie stammt aus einem fernen Land mit einem merkwürdigen Namen...»
    «Dies ist mir auch einerlei...»
    «... das Land heißt Wuppertal...»
    Kaum hatte ich das gesagt, ließ der Alchemist von der Karte ab, sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und fragte erstaunt: «Wuppertal?»
     

34
    Dee stand auf und fragte mich wie ein Inquisitor aus, was ich über Rosa und Wuppertal wusste. Da dies recht wenig war, waren meine Antworten für ihn äußerst unbefriedigend. Schließlich fragte ich den Alchemisten: «Warum interessieren Sie sich so für dieses Wuppertal?»
    «Weil dieser Ort erst in einer fernen Zukunft existieren wird», erwiderte er.
    Ich blickte erstaunt, hatte nun wahrlich meinerseits Hunderte von Fragen, aber Dee schnitt mir das Wort ab und befahl mir: «Sei in der übernächsten Nacht wieder bei mir. Nicht früher, nicht später. Dann werde ich dich von diesem Geist befreien. Ein für alle Mal»
    «Wirst... wirst du ihn vernichten?», fragte ich. Auf einmal war ich ein bisschen besorgt, schließlich hatte ich inzwischen doch etwas Sympathie für Rosa gewonnen.
    «Dies ist im Rahmen des Möglichen.»
    Ich musste schlucken, und da der Alchemist meine Unsicherheit spürte, erklärte er: «Wo gehobelt wird, da fallen Späne», eine jener Mode-Phrasen, die gerade neu in Londons Sprachschatz auftauchten.
    Ich erschauderte bei dem Gedanken, dass Rosas Geist womöglich vernichtet würde. Aber mit ihr in meinem Leibe konnte ich auch nicht weiterleben, und so bestätigte ich mit leiser Stimme:«Wo gehobelt wird, da fallen Späne.»
    Ich verließ das Haus des Alchemisten und fuhr im Morgengrauen zurück nach Southwark. Vor dem Theater wartete tatsächlich bereits die Kutsche, die mich zu der Gräfin Maria bringen sollte. Kaum hatte ich mich hineingesetzt, verlor ich wieder die Macht über meinen Körper, denn Rosa erwachte...
    ... für eine Sekunde hoffte ich, dass ich bei Prospero auf der Zirkuswagenliege erwache und dass die ganze Zeitreise nur ein böser Traum war. Aber dies war natürlich nicht der Fall. Es ruckelte, und Pferdegetrappel war zu hören. Ich öffnete die Augen: Ich befand mich wieder in der Kutsche, hatte ein braunes Ballonhemd an und trug grüne Strumpfhosen. Ich spürte etwas darin, griff in die Tasche und fand ein Medaillon. Es war aber nicht jenes mit dem Abbild der blöden Gräfin, die so aussah wie Olivia, in ihm war das Bild zweier Kinder gleichen Alters, schätzungsweise sieben oder acht Jahre alt. Das Mädchen hatte ein weißes züchtiges Kleid an, war hübsch und strahlend. Der kleine Junge trug Strumpfhose, Ballonhemd und Halskrause und wirkte eher traurig, sensibel, gar zerbrechlich.
    «Hamnet und Judith, meine Zwillinge.»
    «Du hast also tatsächlich Kinder», stellte ich fest. Langsam gewöhnte ich mich daran, dass Shakespeare aus dem Nichts in meinem Kopf mit mir sprach.
    «Hattest du etwa an meiner Potenz gezweifelt?»
    «Deine Potenz interessiert mich nicht», erwiderte ich.
    «Sie interessiert sonst alle Frauen.»
    «Ich bin nun mal nicht < alle >.»
    «Ja, das scheint mir auch so.»
    Shakespeare sagte dies nicht abfällig, sondern eher nett. Begann er mich etwa zu mögen? So, wie ich ihn langsam sympathischer fand? Ich kam wieder auf seine Kinder zu sprechen: «Es ist nur so, du wohnst in einer kleinen Kammer, und da ist kein Platz für eine Familie ...»
    «Meine Kinder leben noch in meinem Heimatdorf Stratford-upon-Avon.»
    «Warum bist du dann in London und nicht in Stratford?»
    «In meinem Heimatort gibt es leider einen außerordentlich geringen Bedarf an Stückeschreibern. Dort hätte ich nur als Handschuhmacher mein Leben fristen können. So wie mein Vater. Und wenn ich eins nicht möchte, ist

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