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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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mitzuteilen, und sagte dann: «Du ... du bist in der Zukunft.»
    Okay, das hätte man vielleicht doch etwas schonender hinbekommen können.
    Ich berichtete ihm von Prospero, von meiner Zeitreise und davon, dass er sich nun im dritten Jahrtausend befand. Ich erwartete jetzt, Millionen Fragen über unsere Zeit gestellt zu bekommen: Ob man ihn hier kannte? Ob seine Werke berühmt waren? Was für Theaterstücke die Menschen heute gerne sahen? Ob es Kriege gab? Fortschritte in der Medizin? Warum der flimmernde Kasten gerade Bilder von Hartz-IV-Empfängern zeigte, die von Olli Geissen Schwangerschaftstests durchführen ließen? Was ist ein Hartz-IV-Empfänger? Was ist ein Schwangerschaftstest? Was ist ein Olli Geissen? Aber tatsächlich stellte Shakespeare mir nur eine einzige Frage:
    «Dann... dann sind meine Kinder also schon lange tot?»
     

47
    Shakespeare schwieg eine ganze Weile traurig, und mein Körper auf dem Sofa sackte immer mehr in sich zusammen. Wie schon in der Vergangenheit war die Situation auch hier in der Gegenwart für ihn viel schwieriger als für mich. Auch deswegen musste ich schnell dafür sorgen, dass er irgendwie in seine Zeit zurückkehrte, und das würde nur mit der Hilfe von Prospero gelingen. Doch wie sollten wir zu dem Hypnotiseur gelangen? Shakespeare als Mann der Vergangenheit würde auf dem Weg sicher schon auf den ersten Metern von einem Auto überrollt werden.
    Er musste also einschlafen, damit ich wieder meinen Körper übernehmen konnte. Doch wie sollte ich ihn dazu bringen? In der Stimmung, in der er war, konnte ich ihm ja wohl kaum < Schlaf, Kindlein, schlaf> vorsingen und mit ihm über den Sodomie-Schäfer scherzen, bis er einschlief. Außerdem konnte man jederzeit wieder aufwachen, wie ich leidvoll in der Vergangenheit erfahren hatte. Was war, wenn ich am Steuer meines Autos saß und Shakespeare wieder erwachte und die Kontrolle übernehmen würde? In meinen Augen mischten sich Bilder von Crash-Test-Dummys, explodierenden Autos und Notärzten, die fanden, dass ich viel zu jung gewesen war, um zu sterben.
    Ich hatte keine andere Wahl: Wenn wir hier beide überleben wollten, musste ich Shakespeare fit machen für die Gegenwart. Doch wie sollte ich das tun? Wenn ich ihn durch das Nachmittagsprogramm des Fernsehens führen würde, um ihn auf die Welt hier vorzubereiten, würde er nur denken, er wäre im Irrenhaus gelandet.
    Sollte ich ihm im Internet Filmchen zeigen? Aber ich konnte mir schon vorstellen, was für Fragen er dann stellen würde: «Was genau ist das Internet?», «Wie funktioniert es?» oder «Was sind Server?». Und auch wenn ich tagtäglich im Netz surfte, hatte ich doch keinerlei Ahnung, wie ich diese Fragen beantworten sollte. Ich konnte ja nicht mal ein DSL-Modem anschließen, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Also beschloss ich, Shakespeare einfach zum Fenster zu führen. Er sollte die neue Welt mit eigenen Augen sehen.
     
    All meine Gedanken galten meinen Kindern, so ignorierte ich anfangs Rosas Bitte, mich zu erheben und zum Fenster zu gehen. Erst nachdem sie eindringlich erläuterte, es sei lebenswichtig, dass ich die Umgebung sehe, stand ich auf, ging ein paar Schritte, öffnete den Vorhang und sah eine wahrlich fremdländische Welt vor mir: Auf der Straße, viele Meter unter mir, sausten in unfassbarer Geschwindigkeit merkwürdige Geschosse, die entfernt an Kutschen erinnerten. Rosa erläuterte mir, dass man diese Geschosse Autos nannte und dass es sich um eine außerordentlich schlechte Idee handeln würde, sich ihnen in den Weg zu stellen. Sie zeigte mir lauter weiterefuriose Sachen, vor denen ich mich in Acht nehmen sollte: ein längliches Gefährt namens , irritierende Lichter namens und die allergefährlichsten Wesen von allen: .
    Die Eindrücke überwältigten mich und ließen mich meine Trauer vergessen. Mit Rosas Anleitung öffnete ich das Fenster, um herauszufinden, wie die Zukunft roch. Doch sie roch nicht, sie stank! Und sie war geradezu staubig. Rosa nannte den Gestank (Abgase), und je länger ich diese einatmete, desto mehr wünschte ich mich auf die uringetränkten Straßen Londons zurück. Dieser Abgasgestank war genauso verblüffend wie so vieles andere in dieser schönen neuen Welt: Was waren das für fliegende Eisenvögel am Himmel? Was waren das für kleine Schachteln, die sich die Leute an die Ohren hielten und mit denen sie redeten? Die Menschen sprachen fast alle mit sich selber, so

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