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Ploetzlich verliebt

Ploetzlich verliebt

Titel: Ploetzlich verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Henkel
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Vergangenheit, die ich mir ansehen will, muss irgendwie mit mir oder meiner Familie zusammenhängen. Ich könnte auch nicht – nur mal als Beispiel jetzt – die letzten Minuten vor der Hinrichtung mit Marie Antoinette verbringen.
    Nicht dass ich scharf darauf wäre.
    Etwas Unverfängliches also … ich versuchte es noch ein letztes Mal mit Marlis Freerunning-Trip heute Nachmittag. Vielleicht würde ich ja doch noch ein winziges Detail im Park erkennen. Ich sah sie über Bände flitzen, der Hintergrund nur eine verschwommene grüne oder blumig bunte Tapete – nichts. Vor lauter Purzelbäumen und Überschlägen, die Marli vor meinem inneren Augen veranstaltete, fühlte ich mich, als ich dann endlich wieder auf meinem Bett lag und zu mir kam, als wenn mich jemand in einem dieser Kinderkarussells ungefähr hundert Mal zu oft im Kreis gedreht hätte. Meine Augen wollten nur noch eins: zufallen.
    Mit wackligen Beinen stand ich auf und weckte Luna, die sich daraufhin einfach in ihren Klamotten ins Bett plumpsen ließ. Ich schaffte es auch irgendwie, mich zu meinem Bett zu schleppen und die Decke über mir auszubreiten. Kurz bevor mein Kopf das Kissen berührte, fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Meine Meinung: Früh aufstehen macht nur früh müde. Wenn ich könnte, würde ich wie Opa nie vor zehn oder elf Uhr die Augen aufmachen. Wenn ich dann mal wach bin, brauche ich noch mindestens zehn Minuten, bis ich aufrecht sitze, und weitere zehn Minuten, um mich daran zu erinnern, wie ich heiße und wie ich überhaupt hierhergekommen bin.
    Deswegen muss Luna mich morgens schütteln oder mir laut was vorrappen, damit ich wach werde. Zu meinem dreizehnten Geburtstag hat sie mir so einen Wecker geschenkt, der, damit man ihn nicht einfach ausstellen kann, davonrollt, sobald er zu klingeln beginnt. Das Problem ist nur, dass ich sowieso alle Wecker und Handyklingeltöne dieser Welt überhöre. So musste schließlich Luna, wenn der Wecker wegrollte, selbst aus dem Bett springen und ihm hinterherlaufen, um ihn abzustellen.
    Nach ein paar Tagen haben wir ihn Onkel Frank geschenkt.
    Luna hingegen ist morgens immer putzmunter und weckt mich erst, wenn sie schon im Bad war. Manchmal hält sie mir einfach die Nase zu, an diesem Morgen aber hatte sie sich etwas Neues ausgedacht. Sie feuerte Raketen direkt neben meinem Ohr ab.
    Als ich kerzengerade im Bett saß und mich mit angstvoll geweiteten Augen umsah, wurde mir klar, dass sie auf ihrem Laptop einen Silvesterfeuerwerksfilm abspielte. In voller Lautstärke.
    Â»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, fragte ich schwach, eine Hand aufs Herz gelegt, das noch immer wie verrückt schlug. »Bist du noch ganz bei Trost?«
    Â»Hauptsache, es funktioniert. Wunderschönen guten Morgen, Cousinchen.« Sie drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange. »Heute fallen zwar die ersten beiden Stunden aus, aber ich habe mit Marli ausgemacht, dass wir uns schon früher im Park treffen.«
    Â»Wieso das denn?« Ich drückte mir das Kopfkissen aufs Gesicht.
    Â»Damit du uns ganz genau erzählen kannst, was du gestern alles rausgefunden hast.«
    Irgendeine Frage nagte an mir, ich wusste vor lauter Erschöpfung nur nicht, welche. Endlich fiel es mir ein. »Hat sie ihren Ring gefunden?«
    Luna schüttelte den Kopf.
    Â»Mist.« Ich suchte mit den nackten Füßen nach meinen Hausschuhen, stand auf und ging ins Bad. Als ich zurückkam, war ich immerhin einigermaßen wiederhergestellt. Luna stand noch immer im Pyjama vor ihrem Kleiderschrank. Ohne weiter auf sie zu achten, wählte ich mein Outfit für den heutigen Tag. Jeansrock, weiße Leggins, lässiges schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt, schwarzer Blazer und eine silberne Kette mit Flügelanhänger. Dazu weiße Chucks.
    Luna schien inzwischen zu überlegen, ob sie ihrem Schrank einen Tritt verpassen sollte. Jeden Morgen dasselbe. Sie und ihr Kleiderschrank haben einfach kein gutes Verhältnis.
    Â»Was soll ich nur anziehen?«, stöhnte sie.
    Â»Weiße Jeans, das gepunktete rote T-Shirt und die braune Lederjacke«, sagte ich, ohne groß nachzudenken.
    Luna sah mich eine Weile schweigend an, in ihrem Kopf arbeitete es, das konnte ich genau sehen. Dann warf sie sich in Positur, atmete zwei Mal tief durch und legte los:
    Â»Weiße Jeans – braune Lederjacke,
das Shirt mit Punkten, so hau ich auf

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