Poirot Rechnet ab
Diebstahl wurde entdeckt. Das Stubenmädchen verlangte, rechtschaffen empört, durchsucht zu werden, und verließ wie ein Unschuldslamm das Zimmer. Das imitierte Halsband hatte sie schon am Morgen im Bett der Französin versteckt – ein Meisterstück!«
»Aber warum sind Sie nach London gefahren?«
»Erinnern Sie sich an die weiße Karte?«
»Ja sicher, sie hat mich sehr beschäftigt und beschäftigt mich noch immer. Ich dachte…«
Ich zögerte etwas und sah die Opalsens an.
Poirot lachte verschmitzt.
»Es war eine Falle für den Diener. Die Karte hatte eine speziell präparierte Oberfläche – für Fingerabdrücke. Ich fuhr schnurstracks nach Scotland Yard und fragte dort nach unserm alten Freund, Inspektor Japp, und erklärte ihm den Sachverhalt. Wie ich vermutet hatte, stammten die Fingerabdrücke von zwei bekannten Juwelendieben, die schon seit Längerem gesucht wurden. Japp kam mit mir her und verhaftete die Diebe. Das Halsband wurde bei dem Diener gefunden. Ein kluges Paar, aber sie haben keine ›Methode‹. Habe ich Ihnen nicht schon mindestens sechsunddreißigmal gesagt, dass man ohne Methode…«
»Wenigstens sechsunddreißigmal!«, unterbrach ich ihn. »Aber was haben sie falsch gemacht?«
»Mon ami, der Plan, eine Stellung als Zimmermädchen und Diener anzunehmen, ist nicht schlecht – aber dann darf man nicht arbeitsscheu sein. Sie hielten es nicht für nötig, das leer stehende Zimmer in Ordnung zu halten und abzustauben. Als der Diener die Juwelenkassette auf den kleinen Tisch nahe an der Verbindungstür abstellte, ließ sie eine rechteckige Spur zurück…«
»Ich erinnere mich!«, rief ich aus.
»Zuerst war ich meiner Sache noch nicht ganz sicher – aber von diesem Augenblick an wusste ich Bescheid!«
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Und ich habe meine Perlen wieder!«, sagte Mrs Opalsen triumphierend.
»Gut«, sagte ich, »ich würde jetzt gerne etwas essen.«
Poirot begleitete mich.
»Das bringt Ihnen wieder neuen Ruhm ein«, bemerkte ich.
»Pas du tout«, erwiderte Poirot ruhig. »Japp und der hiesige Inspektor werden sich den Ruhm teilen. Aber…«, er klopfte auf seine Tasche, »ich habe hier einen Scheck von Mr Opalsen. Was sagen Sie dazu, mein Freund? Dieses Wochenende ist nicht ganz planmäßig verlaufen. Was halten Sie davon, wenn wir nächstes Wochenende wiederkommen – aber dann auf meine Kosten?«
Der entführte Premierminister
J etzt, da der Krieg und die Probleme des Krieges der Vergangenheit angehören, glaube ich, dass ich es wagen kann, die Rolle, die mein Freund Poirot im Augenblick einer nationalen Krise spielte, der Welt zu enthüllen. Das Geheimnis ist gut gewahrt worden. Nicht eine Silbe erschien in der Presse. Aber jetzt, da es nicht mehr notwendig ist, das Geheimnis zu wahren, habe ich das Gefühl, dass England erfahren muss, was es meinem sonderbaren kleinen Freund schuldet, dessen Fähigkeiten eine große Katastrophe verhinderten.
Eines Abends nach dem Dinner – das Datum möchte ich nicht genau angeben – saßen mein Freund und ich in seinem Wohnzimmer. Nachdem ich wegen einer Verwundung nicht mehr frontdienstfähig war, hatte man mir ein Ausbildungskommando übertragen. Es war mir zur Gewohnheit geworden, abends nach dem Dinner bei Poirot hereinzuschauen und mit ihm über Fälle zu diskutieren, die er gerade bearbeitete.
Ich unterhielt mich mit ihm über die letzte sensationelle Neuigkeit – es handelte sich immerhin um den Versuch, Englands Premierminister David McAdam zu ermorden. Die Berichte in den Zeitungen waren offensichtlich sorgfältig zensiert worden. Keine Details wurden bekannt gegeben; es wurde nur berichtet, dass der Premierminister wie durch ein Wunder verschont geblieben war und die Kugel ihn nur ganz leicht an der Wange gestreift hatte.
Ich fand es beschämend für unsere Polizei, dass so etwas überhaupt passieren konnte. Es war mir klar, dass die feindlichen Spione alles aufs Spiel setzen würden, um so etwas fertig zu bringen. Der kämpfende Mac, wie seine eigene Partei ihn nannte, war nicht nur Englands Premierminister – er war England! Ihn zu verlieren wäre ein lähmender Schlag für das ganze Land gewesen.
Poirot war eifrig damit beschäftigt, einen grauen Anzug mit einem winzigen Schwamm zu reinigen. Es gab keinen größeren Dandy als Hercule Poirot. Reinlichkeit und äußerste Sorgfalt waren seine Passion. Im Augenblick war der ganze Raum mit Benzingeruch erfüllt, und Poirot war außer Stande, mir seine
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