Poirot Rechnet ab
Ovation, die man Mr David McAdam dargebracht hatte nach seiner anfeuernden Rede, die einen tiefen und anhaltenden Eindruck gemacht habe.
Das Verschwinden Mister Davenheims
P oirot und ich erwarteten unseren alten Freund, Inspektor Japp von Scotland Yard, zum Tee. Poirot war gerade damit fertig, die Tassen und Teller, die unsere Wirtin stets mehr auf den Tisch schmetterte als stellte, sorgfältig hinzustellen. Er betrachtete die silberne Teekanne, seufzte und polierte sie mit einem seidenen Taschentuch. Der Kessel stand auf dem Kocher, daneben eine kleine Emaillekanne mit dicker, süßer Schokolade, etwas, das mehr nach Poirots Geschmack war als das, war er »euer englisches Gift« zu nennen pflegte.
Vor dem Haus ertönte eine Hupe, und wenige Minuten später betrat Japp das Zimmer.
»Hoffentlich komme ich nicht zu spät«, sagte er, als er uns begrüßte. »Ich bin bis jetzt durch ein Gespräch mit Miller, dem Mann, der den Davenheim-Fall bearbeitet, festgehalten worden.«
Ich spitzte die Ohren. Die Zeitungen berichteten seit drei Tagen über das merkwürdige Verschwinden von Mr Davenheim, dem Seniorpartner von Davenheim Salmon, den sehr bekannten Bankiers und Finanziers. Am vergangenen Samstag hatte er sein Haus verlassen und war seither nicht mehr gesehen worden. Ich hoffte, aus Japp einige interessante Details herauszulocken.
»Man sollte doch annehmen«, bemerkte ich, »dass es heutzutage beinahe unmöglich ist, einfach zu verschwi n den.«
Poirot schob seinen Teller mit Brot und Butter ein wenig zurück und fragte: »Drücken Sie sich doch genauer aus, mein Freund. Was meinen Sie mit ve r schwinden?«
»Wie viele Arten von Verschwinden gibt es denn bei Ihnen?«, lachte ich.
Japp lachte auch.
Poirot sah uns beide ärgerlich an.
»Verschwinden wird in drei Kategorien eingeteilt: Erstens – und das ist das normalste –, das freiwillige Verschwinden. Zweitens, der viel missbrauchte Verlust des Erinnerungsvermögens – zwar selten vorkommend, aber gelegentlich doch echt. Drittens Mord, verbunden mit einem mehr oder weniger erfolgreichen Verschwindenlassen der Leiche. Wollen Sie vielleicht behaupten, dass diese drei Kategorien nicht auf den Fall Davenheim angewandt werden können?«
»Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich. Sie könnten zwar Ihr Gedächtnis verlieren, aber irgendjemand würde Sie bestimmt erkennen – und in diesem Falle dürfen Sie nicht vergessen, dass Davenheim ein sehr bekannter Mann ist. Dann – ›Leichen‹ kann man nicht in Luft auflösen. Früher oder später tauchen sie wieder auf, an einsamen Plätzen versteckt oder in Koffern. Mord kommt immer ans Tageslicht. Genauso, wie ein Defraudant fast immer gefasst wird. Will er ins Ausland flüchten, wird es für ihn besonders schwer, denn alle englischen Häfen und Eisenbahnstationen werden überwacht. Sein Steckbrief erscheint in der Zeitung. Unterzutauchen ist für ihn beinahe unmöglich.«
»Mon ami«, sagte Poirot, »Sie begehen einen Fehler. Es könnte ja sein, dass ein Mann, der sich entschlossen hat, zu verschwinden – entweder allein oder mit irgendjemand –, ausnahmsweise ein intelligenter Mann mit Methode ist. Er könnte sich einen sehr sorgfältigen Plan ausgearbeitet haben, und ich sehe nicht ein, warum er nicht mit Erfolg die Polizei hinters Licht führen sollte.«
»Aber nicht Sie«, sagte Japp gutmütig und zwinkerte mir zu. »Sie, Monsieur Poirot, könnte er doch nicht in die Irre führen?«
Poirot versuchte vergebens, bescheiden auszusehen.
»Warum nicht? Obwohl Sie Recht haben, denn ich gehe solchen Problemen exakt wissenschaftlich zu Leibe, mit mathematischer Präzision, die traurigerweise in der neuen Generation der Detektive immer seltener wird!«
Japp grinste noch mehr.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Miller, der Beamte, der den Fall bearbeitet, ist ein sehr fähiger Bursche. Sie können sicher sein, dass er weder einen Fußabdruck noch Zigarettenasche oder einen Brotkrümel übersieht. Seinen Augen entgeht einfach nichts.«
»Mon ami«, sagte Poirot, »wie den Augen der Londoner Spatzen. Aber trotzdem würde ich so einen kleinen Vogel doch nicht bitten, das Verschwinden Mr Davenheims aufzuklären.«
»Hören Sie, Monsieur, Sie wollen doch den Wert solcher Details nicht abstreiten?«
»Durchaus nicht. Diese Kleinigkeiten sind alle sehr nützlich. Die Gefahr ist nur, dass man ihnen zu viel Gewicht beimisst. Die meisten Details sind unwichtig; das eine oder das andere ist aber absolut
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