Poison (German Edition)
fünfundzwanzigtausend Euro ... je Karte. Die Deutsche Bank räumt ihm einen Dispo von hunderttausend ein. Ich staune weiter, Ducky macht sich Notizen und druckt die Infos aus.
»Den Kunden greif’ ich mir«, grinst er mir zu, und ich bin sicher, dass er es auch privat versuchen wird ... was mich gar nicht begeistert.
»Wie kommt er an so viel Kohle?«, fragt Ducky mich Sekunden später. Er hat gerade SEINE Umsätze aufgerufen, und deutet mit dem Finger auf einzelne Posten ... Bareinzahlungen, jede Woche mindestens eine, die niedrigste Tausend Euro, die höchste Achtzehntausend. In bar. »Er marschiert also mit dem Geld in eine Filiale in Berlin – Mitte, immer dieselbe, und zahlt es dort ein«, murmelt er und grübelt dann eine Weile lang, bevor er das Naheliegendste ausspricht.
»Drogenhandel?« Auch, wenn es wie eine Frage klingt, meint Ducky es wie eine Verurteilung, seinem angewiderten Gesichtsausdruck nach zu urteilen. »Die sind heutzutage rotzfrech und lassen die Kohle über ihre Konten laufen«, erläutert er weiter.
Ich schüttle den Kopf. Wie ein Dealer sieht er nun wirklich nicht aus. »Ich hak’ mal nach«, sagt er dann, und greift zum Telefon. Als ob SEINE Bank wüsste, wenn ER unsaubere Geschäfte laufen hätte. Aber wenn er meint. »Ich will ja auch wissen, woher ich ihn kenne. Als Klienten haben wir den nämlich noch nicht, und das ist ein guter Aufhänger, mal in seiner Filiale nachzuforschen. Aber wenn er was Illegales macht, muss ich ihn melden.«
Schwache Ausrede. Du bist scharf auf ihn. Aber du wirst ihn nicht bekommen!
Er telefoniert, redet mit allen möglichen Leuten, nickt ab und zu, sagt abwechselnd »jaja«, »mhm«, »genau«, hört zu und schreibt alles mit ... eine ganze Seite voll, und als er wieder auflegt, scheint er ziemlich ratlos.
»Seltsame Figur, dieser Herr El Houssaine«, beginnt er und räuspert sich, bevor er fortfährt. »Uhm, dir ist klar, dass das unter uns bleiben muss?«
Klar. Ich nicke, und mustere ihn aufmerksam, was er offensichtlich genießt.
»Also, er hat bis jetzt jede Beratung in Vermögensangelegenheiten strikt abgelehnt. Das macht er selbst, hat er dem Filialleiter gesagt. Er bringt sein Geld meist in relativ großen Scheinen ... Ein-, Zwei- und Fünfhunderter, verfügt maximal über den Betrag, den er bar einzahlt, und hat noch nie seinen Disporahmen – zwanzigtausend – ausgeschöpft. Wir haben das Konto von der badischen Beamtenbank übernommen, wo er früher Kunde war, in Heidelberg. Daher auch der Zugriff auf die alten Daten. Gearbeitet hat er bis circa 1997 bei der Heidelberger Straßenbahn. Danach ist nie wieder Gehalt eingegangen, nur noch diese seltsamen Bareinzahlungen.«
Ducky kramt in seinen Papieren, bevor er weiterspricht. »Er soll angeblich studiert haben, und damit fertig sein, hat mir seine Kontoführerin, Frau Engel, erzählt. Vor einer Stunde war er da und hat dreitausend Euro abgehoben ... in kleinen Scheinen. Außerdem existiert ein Vermerk der Badischen Beamtenbank, dass er irgendwie mit der Deutschen Bank zu tun hat, aber da wissen wir selbst nichts Genaues. Es wird viel erzählt, doch seine finanzielle und materielle Hausnummer kann keiner genau bestimmen, auch wenn er für einen 25jährigen viel zu viel Kredit bekommt und irgendwas dabei sehr seltsam ist.«
Ducky verstummt, starrt minutenlang auf sein Gekritzel, und ich kann ihm förmlich ansehen, dass er nach den ganzen Informationen, die Condom-Boy nur noch undurchsichtiger erscheinen lassen, nicht mehr so genau weiß, ob er sich wirklich an ihn herantrauen soll ... geschäftlich, was mir sehr recht wäre. Irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, IHN schützen zu müssen. Komisch.
Jedenfalls ein guter Zeitpunkt, um mich abzusetzen. »Ich muss jetzt los, Ducky«, informiere ich ihn, während ich aufstehe, und hebe die Hand zum Gruß. »Termine. Du weißt ja selbst, wie das ist.«
Er seufzt, nickt, und begleitet mich noch zur Tür. »Schönen Tag noch, Brix. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
Wenn es sich nicht vermeiden lässt, denke ich, und sage: »Ja, klar. Bis dann.«
Auf dem Weg zu meinem Wagen fasse ich noch mal das soeben Gehörte zusammen, streiche all das Unwichtige ... Zahlen, Konten, Datenmüll, so lange, bis lediglich die Essenz übrig bleibt, das Einzige, was wirklich wichtig ist – sein Name ... Shahin El Houssaine. Ein Anruf genügt, und die Auskunft gibt mir seine Mobilfunknummer. »The person you’ve called is not available at present.«
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