Poison (German Edition)
schwarze Haare, dunkle Augen, cremefarbene Haut, heißt »Shahin« oder so – kennste den?« Nicht, dass ich dran glaube. Aber ich will wissen, wie ER tickt. Ich muss es wissen, schließlich will ich meine Kontrolle nicht verlieren. Shit. Statt abzuschalten grübele ich schon wieder. Die Worte meiner Tante fallen mir wieder ein: »Du musst lernen, mit der Liebe umzugehen.« Klar, Tantchen, ich versuchs ja. Aber mit ihr umzugehen, bedeutet nicht, die Kontrolle zu verlieren. Mist, ich weiß nicht mehr, was ich will. Und SEIN Bild ist vor meinen Augen immer klarer zu sehen.
Und Gilbert? Gilbert überlegt, bedient weiter. »Sag’ ich dir später, Brix, in meiner Pause. Bald ist Schichtwechsel.« – »Kennst du ihn?«, frage ich.
»Gleich«, antwortet er. Seltsam. Shahin. Ein Teil von mir möchte ihn gerne im Bett haben, sonst nichts. Gebe ich nach, ist er uninteressant und langweilig, wie alle anderen zuvor und wie alle, die nach ihm kommen werden. Ein anderer Teil von mir will mehr. Ihn »lieben«. Der Teil, den ich am meisten verdränge, verdrängt habe. Brix den Menschen. Der Brix, der nicht möchte, dass andere Schmerzen haben, leiden, Schaden nehmen. Der Brix, der eigentlich lange tot sein sollte. Mein dritter Teil will beides verknüpfen. Ihn austesten, kennenlernen und dann entscheiden. Shit, musste das jetzt passieren? Ausgerechnet jetzt? Wo ich drauf und dran bin, mir einen anderen Job zu suchen, und schon echt genügend Stress habe? Liebe? Ich? Pffff. Eher gibt es rosa Elefanten, als dass ich mich verliebe. Und dann auch noch freiwillig. Ich schüttele meinen Kopf.
Gilbert winkt mir, wir gehen hinter die Theke in einen kleineren Raum, ein paar Stühle, ein Tisch. Dort macht er einen Kühlschrank auf und hält mir eine Flasche Budweiser hin. Ich trinke, bemerke, dass Gilbert mich aufmerksam mustert.
»Was geht?«, fragt er mich sanft und nicht ohne einen gewissen Tonfall in seiner Stimme. Normalerweise würde ich ihm jetzt tief in die Augen blicken und abchecken, ob ich ihn ein drittes Mal herumkriege, so macht er mich gerade an, aber – verdammt – er grinst, weicht meinem Blick nicht aus, aber schüttelt leise seinen Kopf.
»Es geht jetzt nicht um mich, Brix. Ich glaube nicht, dass das ein Vorwand war, um mich ’rumzukriegen. Also, ich kenne ihn. Ganz gut, sogar.«
Aha. Dann hast du mir gegenüber einen echten Vorteil, Sweetheart. »Nicht von hier«, fährt er fort, »Wir haben uns mal auf einer Party getroffen und den ganzen Abend geredet. Und ein paar Mal im Café Olé, durch Zufall.«
Auch das noch. Kann ich da auch nicht mehr hingehen, ich sehe es schon kommen. Vielleicht sollte ich doch München in Betracht ziehen, aber so, wie ich mein Glück kenne, taucht ER dann da auch bald auf. Ich sollte nach Australien emigrieren. Wenn ich nicht sarkastisch werde, dreh’ ich durch heute.
Gilbert grinst. »Ist ein Süßer«, sagt er, »aber vor allem ein Netter. Zwar nicht mein Typ, aber ziemlich zuverlässig, denk ich. Auch wenn sein Job gewöhnungsbedürftig ist.« Gilbert zwinkert mir zu.
»Aha«, meine ich. »Was arbeitet er denn?« – »Er macht Escortservice, aber die edlere Variante. Und die teurere, versteht sich«, grinst Gilbert. »Zumindest gelegentlich, wenn er nicht gerade die Welt rettet oder so.«
Lach du nur, toller Witz. Macht mich mal keinen Meter schlauer. »Danke«, ich stehe auf und gehe. So viel Sex kann ich jetzt gar nicht machen, wie ich bräuchte, um das zu verdauen. Logo, ist mir ja eigentlich egal, was er macht. Damit kann ich zumindest den Sex mit ihm in einen klaren Deal verpacken. Ich zahle, ich ficke. Oder wie auch immer. Solange die Kohle reicht.
Das ist wieder einer der Momente, in denen ich verfluche, dass ich keine Freunde habe. Jetzt wär mir nach Reden zumute, aber ich hab nur vier Alternativen: Sex – oder Jack, John und Jim. Hier bin ich jedenfalls verkehrt heute, beschließe ich, und fahre nach Hause. Jack wartet schon auf mich, und John ist auch noch zu Hause. Fast wie im Reflex wähle ich seine Nummer. »Please try again later!« Handy aus, immer noch. Wahrscheinlich lässt er sich gerade ficken. Nicht von mir. Glücklicher Kunde. Okay, dann eben nicht.
»Er ist dein Leben, deine Liebe, deine Seele. Und dein Schicksal.« Die Stimme meiner Tante hallt in meinen Gedanken wider, als ich Eiswürfel in mein Glas gebe und es randvoll mit Jack Daniels mache. Um mir selbst endlich Ruhe zu verschaffen, beschließe ich für mich selbst, dass es mir egal ist, was
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