Poison (German Edition)
Herren vom Europäischen Raumfahrtzentrum verstanden habe, hab’ ich den Job als Physiker sicher. Und damit meine Promotion in der Tasche. Dr. El Houssaine, wie sich das anhört. Jetzt noch nach Stuttgart, Kaffee bei Carlos, und dann nach Hause, in meine Badewanne und abends ausgehen.
»Sooo schlecht sind die Münchner Jungs gar nicht«, denke ich, als ich einnicke. Im nächsten Moment weckt Marianne mich – wir sind in Stuttgart angekommen. Sie wird nun schlafen, während ich mit Carlos rede, und dann werde ich ein bisschen fahren, so bis Halle oder Leipzig, und dann werde ich weiterschlafen, bis zu mir.
Aber zuerst möchte ich nach Carlos sehen, meinem Lissabonner Kunden, der mir in all den Jahren doch ein bisschen ans Herz gewachsen ist.
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Shahin
Ich läute also an der Villa im vornehmen Stadtteil Feuerbach, wo Carlos zusammen mit seinem Lebensgefährten wohnt. Wobei, ich habe diesen Dr. Helmut Willendonk noch nie gesehen, immer, wenn ich hier war, war der auf irgendwelchen Kongressen in der Welt unterwegs. Chemiker ist er, oder sonst etwas Naturwissenschaftliches. Wie auch immer, er scheint immer schwer beschäftigt, sodass ich annehme, er weiß nicht, dass ich mich mit Carlos treffe. Und es wundert mich auch nicht, wir haben zwar nie darüber geredet, aber Carlos scheint immer ziemlich einsam zu sein. Und doch – irgendetwas gefällt mir an seiner Ausstrahlung nicht. Ich weiß nur nicht was. Und meine Gabe ist bei ihm völlig nutzlos, aus welchen Gründen auch immer, ich sehe ihn immer nur in schwarzen Umrissen oder als Glibber in der Landschaft. Andererseits ist er ein stressfreier Kunde, er bezahlt ausgezeichnet, nimmt wenig Zeit in Anspruch, ist nett, gebildet und gentleman-like. Irgendwie ist er niedlich. Und er hat in den letzten sieben Monaten, die ich in Berlin bin, fast 15.000 Euro bei mir gelassen, die zwei Jahre, die wir uns früher in Heidelberg regelmäßig getroffen haben, nicht mitgezählt. Insofern ist er ein Kunde, dem ich eine gewisse Kulanz entgegenbringe.
Carlos öffnet mir in einem schwarzen Seidenkimono, er hat anscheinend dem Personal freigegeben, wie immer, wenn ich ihn besuche. Wir gehen in seinen Salon, rauchen ein Zigarillo (er hat die besten portugiesischen Zigarillos, wie ich finde – die kann man nur dort kaufen, und er bringt immer reichlich mit) und reden über Gott und die Welt. Über seine Arbeit, er ist wohl Geschäftsführer bei einem Musikverlag für Deutschland, über ein DVD-Projekt mit aktuellen Filmen und ein kleines, einträgliches Nebengeschäft – er möchte sehr exklusive Pornofilme produzieren und auf speziellen Kanälen an wirkliche Liebhaber verkaufen. Nicht, dass er mich als Darsteller möchte, dafür bin ich mit meinen 25 Jahren wohl deutlich zu alt, denn er möchte – das betont er – ausschließlich 18-, 19jährige Jungs als Darsteller. Nein, er erzählt mir davon, vielleicht, um Eindruck zu schinden, vielleicht auch einfach nur, weil ihm nichts Besseres einfällt. Der Form halber erzähle ich ihm davon, dass ich spätestens nächstes Jahr meinen Job aufgeben werde, weil ich mich verändern möchte. Nun ist es nicht so, dass ich ihm das erzähle, um ebenfalls Eindruck zu machen, Carlos behandelt mich schon immer wie einen Gleichgestellten, einen guten Freund, und nicht wie Personal oder wie einen Käuflichen. Ich erzähle es ihm der Fairness halber, damit er sich – auch emotional – darauf einstellen kann.
Carlos lächelt. »Würdest du mir dennoch erhalten bleiben? Als Freund, Gesprächspartner und Ratgeber?«
Die Frage klingt ehrlich, und ich nicke. »Natürlich. Es ist ja nun nicht so, dass ich aus der Welt bin«, antworte ich mit einem Lächeln in der Stimme. Als Mensch ist Carlos mir nämlich sympathisch, auch wenn er nicht immer so leicht zu durchschauen ist, weiß ich doch inzwischen, wie ich ihn zu nehmen habe, und wir kommen ganz gut klar.
Wir reden noch ein bisschen, und schließlich führt er mich an der holzgetäfelten Wand seines Salons entlang, zeigt mir Bilder. Seine Frau – ich wusste, dass er verheiratet ist –, seine Tochter – nettes Mädchen –, sein Lebensgefährte. Huch? Mindestens fünfzehn Jahre älter, schätze ich.
»Zwölf«, sagt Carlos, als hätte er meine Gedanken erraten. »Er ist letzte Woche 60 geworden.« Dann ein Gruppenbild mit Managern und Mitarbeitern seines Labels, irgendwo aufgenommen auf einer Insel. Und da sehe ich IHN. Unverkennbar. Er kniet in der ersten Reihe neben einer Frau in einem
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