Poison (German Edition)
winden, wie er möchte, wenn ich nicht will, dass er kommt, dann kommt er auch nicht. Und da er nicht stöhnt, nicht bettelt, eigentlich gar nichts sagt oder tut, außer unregelmäßig zu atmen, sich die Unterlippe wund zu beißen und seinen Körper zu bewegen, bekommt er von mir auch nicht das, was er sich inzwischen garantiert wünscht. Nein, ich werde ihn nicht kommen lassen. Als ich merke, dass ich soweit bin, breche ich ab, ziehe meinen Schwanz aus ihm, reiße mir den Pariser runter und beuge mich vor. Als mein Schwanz seinen auch nur leicht berührt, komme ich mit einem lauten Stöhnen, das mehr ein Schreien ist, hemmungslos, nicht fähig, mich zu beherrschen, bevor ich fast auf ihn sacke, mich gerade noch mit den Unterarmen auf dem Boden abfangen kann, ihm direkt in die Augen sehen kann ... beziehungsweise könnte, denn er hat die Augen geschlossen, während ihm das Blut von seiner Unterlippe über sein Kinn sickert.
Ich bin wie ernüchtert, stehe sofort auf, gehe in mein Bad, um Abstand zu gewinnen, wasche mich ab, nehme ein Handtuch vom Stapel und komme dann wieder zurück, zu ihm, mir die Hände im Gehen abtrocknend. Er steht verloren neben der Couch, hat bereits seine Hose wieder an, obwohl er immer noch meinen Cum auf der Brust und dem Bauch hat. Sein Blick dagegen ist furchterregend. Hass, Verachtung, aber vor allem Trauer und Verwirrung schlagen mir entgegen. Ich weiß nicht, was er hat, mir geht’s gut. Ich bin gekommen, es hat Spaß gemacht und schmeckt nach mehr. Ein Blick von mir, und ich werfe ihm wortlos das Handtuch zu. Soll er sich doch mal abwischen, so kann er doch nicht auf die Straße gehen. Abgesehen davon blutet er an der Unterlippe.
»Danke.«
Nanu? Die leisen Töne sind doch sonst auch nicht seine Stärke. Und doch hat er sich bedankt, und die Reue steigt in mir auf. Es war kein selbstsicheres »Danke«, es war keine Spur von Überlegenheit, sondern ein schüchternes Wort, das in mir sofort den Wunsch weckt, ihn zu beschützen, vor mir zu beschützen. Das Paradoxe an diesem Satz fällt mir auf, noch bevor ich einen Schritt in seine Richtung mache. Seinem Blick nach zu urteilen, würde er sowieso zurückweichen.
»Ich ...«, fange ich an, »Es ... Du ...«, stammele ich unzusammenhängend, gehe, renne dann wortlos zu meinem Schreibtisch, greife zwei 500-Euro-Scheine und halte sie ihm hin.
Er schaut auf das Geld, dann auf mich, schaut mir verständnislos ins Gesicht.
»Du warst gut«, versuche ich den Schein zu wahren. »Darf ich dich wieder anrufen?«, ist sowieso die Frage, die mir viel wichtiger ist. »Lass mal«, sagt Shahin.
Ich schlucke, bin geschockt. »Aber ... wieso?«, bricht es aus mir heraus.
Shahin lächelt ein müdes Lächeln, bitter und irgendwie resigniert. »Ganz einfach, Brix. Der einzige Grund, warum ich überhaupt mit dir mitgegangen bin, ist der, dass ich etwas für dich empfinde.«
Hah, wem will er denn dieses Märchen erzählen! Wo er mich doch nicht mal geküsst hat.
»Wenn du mich wieder anrufst, gerate ich in noch mehr gefühlsmäßige Abhängigkeit zu dir, und das will ich auf gar keinen Fall – so wie du mich behandelst! Ich bin keine Puppe, die man wegwirft, wenn man des Spiels überdrüssig ist«, fährt er fort. »Ich habe auch Gefühle. Wenn du mehr willst, dann führ’ eine Beziehung mit mir. Und wenn du mit mir eine Beziehung führen willst und dir sicher bist, dass du mich liebst, dann kannst du mich wieder anrufen – vorher nicht.«
Wie kommt er denn darauf – und woher weiß er, worüber ich die ganze Zeit nachgedacht habe?
»Und jetzt entschuldige mich.« Er geht, zieht die Tür hinter sich zu. Und ich ertappe mich dabei, wie ich ihm fassungslos nachstarre, das Geld immer noch unberührt in meiner Hand.
51
Shahin
Wie betäubt verlasse ich seine Wohnung, renne die Treppen herab, aus dem Haus, die Schlossstraße herunter, wie eine Flucht, Panik, Widerwillen, Scheu, Ekel, Hass durchfluten mich und nehmen meinen Körper in Besitz, wollen ihn übernehmen, stehlen, mich beherrschen. Und es wäre, es ist soo einfach, es zuzulassen, dass die Gefühle Oberhand nehmen. Den Kontrollverlust hinzunehmen. Zu vergessen, was geschehen ist. Duschen, jetzt. Den Schmutz vom Körper waschen. Seine Berührungen, seine Küsse, einfach abspülen, wegspülen, vergessen, verdrängen? Am liebsten würde ich heulen, aber es wird sowieso nichts bringen. Ich fühle mich bloß so ... so missbraucht ... so benutzt ... einfach nur mies.
Das warme Wasser
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