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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Arkadi.
    Arkadi warf einen fragenden Blick auf Hess. Der nickte zögernd. Morgan sah Susan kopfschüttelnd an, doch sie tat so, als bemerke sie es nicht. »Wir sind gleich wieder da«, sagte sie.
    Im Automaten gab es etwa ein Dutzend verschiedener Marken. Aber Susan hatte kein passendes Kleingeld.
    »Ich weiß, Sie haben kein amerikanisches Geld.«
    »Nein«, sagte Arkadi.
    »Ich hab noch Zigaretten auf meinem Zimmer. Kommen Sie.«
    Susans Zimmer lag im Obergeschoß des Hotels, ganz am Ende des Flurs, in dem die verschiedensten Geräusche widerhallten. Aus jedem der Zimmer schallte eine andere Unterhaltung, und von überall her dröhnte Musik. Susan griff zweimal nach der Wand, um das Gleichgewicht zu halten, und Arkadi überlegte, wie betrunken sie wirklich war.
    Sie schloß die Tür zu einem Zimmer auf, das kaum größer war als ihre Kabine auf der Polar Star, aber mit Doppelbett, Dusche und Telefon unvergleichlich komfortabler ausgestattet war. Anstelle des eingebauten russischen Zwei-Sender-Radios stand auf dem Schreibtisch ein Fernsehgerät. Arkadis Blick fiel auf eine Batterie von Flaschen, einen Eiskübel und eine Lampe mit Schwenkarm. Die Betten standen am Fenster, und obwohl es nur ein schmutziges kleines Guckloch ohne Doppelglasscheiben war, kam sich Arkadi vor wie in einem Luxusapartment.

Draußen war die Sonne untergegangen, und Dutch Harbor lag im Halbdunkel. Von oben sah Arkadi die Männer der Polar Star aus dem Laden kommen und sich auf dem Platz versammeln. Obwohl sie schwer beladen waren mit Plastiktaschen und Netzen, in die sie ihre Einkäufe gestopft hatten, zögerten sie den Rückweg zum Dock noch hinaus. Sie waren es gewohnt, stundenlang Schlange zu stehen, nur um eine einzige Ananas oder ein Paar Strümpfe zu ergattern. Die Schlepperei war nichts, das hier war das Paradies. Polaroidkameras blitzten auf, Freunde ließen sich gemeinsam fotografieren, blau-weiße Gestalten in einem amerikanischen Hafen. Natascha und Dynka. Natascha und Lidia. Auf dem Hügel über der Tankanlage flackerte ein Feuer wie ein Fanal. Ridley hatte gesagt, daß es hier ständig irgendwo brennen würde; Kinder steckten die vom Krieg übriggebliebenen Holzruinen an. Die Hügel waren in Nebel gehüllt, vor dem die Flammen auf dem Gipfel erglühten wie eine weithin leuchtende Blume.
    Arkadi tastete nach dem Lichtschalter und knipste ihn an. »Was haben Sie vorhin gemeint, als Sie sagten, Morgan und ich, wir hätten etwas zusammen ausgeheckt?«
    »Kapitän Morgan ist nicht gerade zimperlich in der Wahl seiner Freunde.« Susan schaltete das Licht wieder aus. »Das gleiche gilt wohl auch für mich.«
    »Vor zwei Tagen hat jemand versucht, mich umzubringen.«
    »Auf der Polar Star?«
    »Wo sonst?«
    »Schluß jetzt mit der Fragerei.« Sie legte ihm die Hand auf den Mund. »Du wirkst so echt«, sagte sie, »und doch weiß ich, daß du ein Schwindler sein mußt, weil einfach alles Betrug und Schwindel ist. Erinnerst du dich noch an das Gedicht?«
    Ihre Augen schimmerten so unergründlich dunkel, daß Arkadi sich unwillkürlich fragte, wieviel er selbst wohl schon getrunken hatte. Er konnte die Feuchtigkeit riechen, die duftend aus ihrem Haar aufstieg.
    »Ja.« Er wußte, welches Gedicht sie meinte.
    »Wie ging es?«
    »Sprich, wie küssen Männer dich.«
    Ihr Körper schmiegte sich an ihn, und gleichzeitig stellte sie sich auf die Zehenspitzen, so daß ihr Gesicht auf gleicher Höhe mit dem seinen war. Ein Mann glaubt sich fast abgestorben, kalt, ohne Empfindung, aber dann flackert die richtige Flamme auf, und er fliegt hinein wie eine Motte.
    Ihre Lippen öffneten sich ihm. »Wenn du doch echt wärst«, sagte sie.
    »So echt wie du.«
    Er hob sie hoch und trug sie zum Bett. Durchs Fenster sah er den Platz draußen unter den Blitzlichtern der Kameras aufleuchten wie unter einem stummen Feuerwerk. Die glücklichen Besucher, seine Schiffskameraden, machten noch ein paar letzte Schnappschüsse, bevor sie den Rückweg zum Dock antraten. Vorn an der Straße erfaßte ein Blitz Natascha in koketter Pose, die Jacke so geöffnet, daß eine Glasperlenkette sichtbar wurde, den Kopf im Profil, damit die glitzernden Ohrringe besser zur Geltung kamen. Arkadi erschien es seltsamerweise wie Verrat, sie ohne ihr Wissen aus einem Hotelfenster zu beobachten.
    Unbeweglich verharrte er, über das Bett gebeugt, an einer jener Wegmarken, die über ein ganzes Leben entscheiden können. Wieder blitzte es draußen, diesmal waren es Guri und Natascha und

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