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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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mit der Schraube zerfetzt und war ebenfalls schon nach Dutch Harbor zurückgekehrt. Morgan stand im Ruderhaus der Eagle, mit einer Baseballmütze auf dem Kopf, und betätigte abwechselnd die Drosselklappe und die Winschen hinter sich.
    »Warum sind Sie nicht bei mir im Hotel geblieben?«
    »Ich habe doch gesagt, daß Wolowoi hinter mir her war und mich aufs Schiff zurückbringen wollte.«
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte es getan. Dann wären gewisse Leute noch am Leben.«
    Arkadi, der spitzen Bemerkungen gegenüber schon immer eine lange Leitung hatte, senkte schließlich verdutzt den Feldstecher und sah, daß Susans Wangen nicht nur vor Kälte brannten. Als was war er ihr vorgekommen, als er so plötzlich davongerannt war? Als Feigling, ein verhinderter Frauenheld? Wahrscheinlich eher wie ein Hanswurst.
    »Tut mir leid, daß ich plötzlich verschwunden bin«, sagte er.
    »Zu spät.« Susan seufzte. »Aber Sie sind nicht bloß vor Wolowoi davongerannt. Ich hab vom Fenster aus gesehen, wie Sie die Straße überquert haben und hinter Mike hergelaufen sind.« Ihr Atem stieg in lauter Wölkchen auf, die ihn zu verhöhnen schienen. »Ja, Sie sind hinter Mike her, und Wolowoi ist Ihnen gefolgt. Jetzt sind die beiden tot, und Sie machen eine Kreuzfahrt durchs Polarmeer.«
    Arkadi war wirklich gekommen, um sich bei Susan zu entschuldigen, doch wie auch schon bei ihren früheren Begegnungen schien eine Barriere zwischen ihnen zu stehen, die er nicht überwinden konnte. Im übrigen, was hätte er zu seiner Verteidigung vorbringen können? Daß Mike bereits tot war, als er den Bunker betrat? Daß ein vorbildlicher Trawlmaster seinem Ersten Maat die Kehle durchgeschnitten hatte, obwohl Karp fraglos genügend Zeugen dafür würde beibringen können, daß er sich zum Zeitpunkt der Tat anderswo aufgehalten hatte, während Arkadi ganz allein stand? Und was sollte er ihr sagen, wenn sie ihn fragte, wie er ins Wasser gefallen war?
    »Können Sie mir erklären, was sich wirklich abgespielt hat?«
    »Nein«, gestand er.
    »Dann will ich Ihnen sagen, wie ich es mir vorstelle. Ich glaube, Sie sind irgendwann wirklich mal eine Art Polizist gewesen. Sie tun so, als versuchten Sie, Sinas Tod aufzuklären, doch in Wahrheit hat man Ihnen die Chance eröffnet, von diesem Schiff runterzukommen, sofern Sie alles einem von uns, einem Amerikaner, in die Schuhe schieben. Eigentlich war Mike dafür ausersehen, doch nun, da auch er tot ist, müssen Sie sich jemand anders suchen. Was ich allerdings nicht verstehe«, fuhr sie nachdenklich fort, »ist meine eigene Reaktion. Drüben in Dutch Harbor habe ich Ihnen erst tatsächlich geglaubt. Aber dann sah ich Sie über die Straße schleichen und hinter Mike herlaufen.«
    Arkadi wurde es allmählich unbehaglich. »Haben Sie jemandem erzählt, daß Sie mich gesehen haben?«
    Sie wirkte verärgert, blickte aber wortlos zur Eagle hinüber. Arkadi hob wieder den Feldstecher an die Augen. Der Rumpf des Schiffes senkte sich, verschwand einen Augenblick hinter einer Dünung, und als er wieder auftauchte, sah Arkadi, daß Ridley und Coletti beide auf den Ladebaum geklettert waren, um sich vor dem hereinschlagenden Wasser zu retten, das ihnen andernfalls bis zu den Knien gereicht hätte. Morgan im Ruderhaus hatte inzwischen ebenfalls ein Fernglas genommen und beobachtete seinerseits Arkadi.
    »Er wird sich weiter dicht hinter uns halten, nicht wahr?«
    »Oder im Eis steckenbleiben«, ergänzte Susan.
    »Würden Sie sagen, er ist mit Leib und Seele dabei?«
    Eine schaumgekrönte Dünung wuchs wie ein glatter Felsen zwischen den beiden Männern empor. Morgan hielt das Fernglas fest auf seine Zielperson gerichtet.
    »Er ist ein Profi«, antwortete Susan.
    »Wollten Sie ihn eifersüchtig machen?« fragte Arkadi »Haben Sie mich darum auf Ihr Zimmer eingeladen?«
    Susan holte zum Schlag aus, ließ die Hand aber wieder sinken. Warum? grübelte Arkadi. Hielt sie eine solche Geste für zu banal, zu »bürgerlich«? Unsinn! Samstags abends hallte die Metro in Moskau von Ohrfeigen nur so wider.
    Die Schiffslautsprecher kreischten auf. Es war drei Uhr nachmittags, Zeit für das seichte musikalische Potpourri des Flottensenders. Zum Auftakt ertönte eine Rumba, deren Klänge kubanische Strände vorgaukelten und windbewegte Palmen. Sozialistische Marakas schlugen lateinamerikanische Rhythmen an.
    »Die Musik bringt mich wieder darauf«, sagte Arkadi, »daß Sie uns doch ursprünglich in Dutch Harbor verlassen

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