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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star
Autoren: Martin Cruz Smith
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Volleyballfeld funkelte wie ein Haus aus lauter kristallenen Bausteinen; die Antennen hoch droben hingen schwer nach unten wie Peitschen aus Panzerglas. Eis bedeckte die Bullaugen wie dunkle Abdecklinsen und überzog die Holzstapel auf den Decksaufbauten mit einer schimmernden Glasur. Das Schiff sah aus, als sei es aus dem Polarmeer aufgetaucht wie ein übergroßer Fisch.
    »Schuld ist dieses verdammte Kabel, das sich irgendwo verklemmt hat und mittlerweile natürlich auf dem Meeresboden hoffnungslos im Schlamm feststeckt«, sagte Martschuk. Er hatte Arkadi in einen Winkel der Brücke geführt, wo der Rudergänger ihr Gespräch nicht belauschen konnte. Der Kapitän hatte die letzte Nacht nicht geschlafen. Sein Bart war nicht gestutzt, und als er die dunkle Brille abnahm, kamen entzündete Augen dahinter zum Vorschein. »Wir müssen hier warten wie eine lahmgeschossene Ente, während Hess unten hockt, sein Kabel auf- und abspult und versucht, es loszubekommen.«
    »Was ist mit der Eagle?« wiederholte Arkadi die Frage, die Susan ihm gestellt hatte.
    Die Wischblätter arbeiteten erfolgreich daran, das Eis in großen Bögen über die Windschutzscheibe zu verschmieren. Aber das Schiff machte schließlich keine Fahrt, und es gab nichts zu sehen außer fahlem Nebel. Arkadi schätzte die Sichtweite auf etwa hundert Meter.
    »Seien Sie froh, daß Sie auf dem richtigen Schiff sind, Renko.«
    »Sie haben also keinen Funkspruch mehr von der Eagle empfangen?«
    »Morgans Funkgerät ist defekt.«
    »Drei verschiedene Funkapparate und obendrein noch ein Reservesystem, und die sollen alle hin sein?«
    »Vielleicht ist der Mast gebrochen. Wir wissen, daß sie eingeeist sind. Durchaus möglich, daß es ihren Mast erwischt hat.«
    »Schicken Sie jemanden hin.«
    Martschuk klopfte seine Taschen nach einem Päckchen Zigaretten ab, lehnte sich dann ans Pult vor der Windschutzscheibe und hustete, was fast so gut war wie Rauchen. Er räusperte sich.
    »Wissen Sie, was ich mache, wenn wir wieder zu Hause sind? Eine Liegekur. Kein Alkohol, keine Zigaretten. Ich gehe nach Sotschi oder irgendwo dort in der Nähe, wo sie einen durchputzen, in Schwefeldampf baden lassen und anschließend in heißen Schlamm packen. Mindestens sechs Monate möchte ich in dieser Schlammpackung bleiben, bis ich stinke wie ein chinesisches Ei. Erst dann weiß man nämlich, daß man auch wirklich geheilt ist. Ich werde da rauskommen, rosig wie ein neugeborenes Kind. Dann sollen sie mich meinethalben erschießen.« Er warf einen Blick auf den Rudergänger und spähte dann durch die offene Tür in den Navigationsraum, wo sich der Zweite Maat konzentriert über seine Karten beugte. Die Polar Star war zwar im Eis eingeschlossen, aber sie hatte deshalb nicht aufgehört, sich zu bewegen, denn die Eisdecke selbst bewegte sich langsam und unerbittlich weiter. »Wenn man so weit rauf in den Norden kommt, lassen einen die Geräte manchmal ganz schön im Stich, nicht nur die eigenen Augen spielen einem da Streiche. Ein Funksignal kann aufsteigen und gleich wieder zurückschnellen. Der Magnetismus ist so stark, daß Peilfunksignale einfach verschluckt werden. Sie brauchen nicht in den Weltraum hinauszufliegen, um ein schwarzes Loch zu finden, das kann ich Ihnen hier auch bieten.«
    »Schicken Sie jemanden hin«, wiederholte Arkadi.
    »Solange das Kabel nicht ordnungsgemäß eingefahren ist, bin ich dazu nicht befugt. Wenn es sich in irgendwas Tragendem verfangen hat, könnte es direkt unter dem Eis treiben; vielleicht ist es dann sogar sichtbar.«
    »Wer ist der Kapitän auf diesem Schiff, Sie oder Hess?«
    »Renko!« Martschuk wurde rot. Er war im Begriff, die Hände aus den Taschen zu nehmen, schob sie dann aber nur noch tiefer hinein. »Wer ist hier der Seemann zweiter Klasse, der froh sein sollte, daß man ihn nicht an seiner Koje festbindet?«
    Arkadi trat vor den Radarschirm. Obwohl die Eagle sich nach wie vor im gleichen Abstand von zwei Kilometern hinter der Polar Star befand, sah man den grünen Punkt auf dem Bildschirm nur noch verschwommen.
    »Die sinken nicht, keine Angst«, sagte Martschuk. »Sie sind nur völlig vereist, und Eis gibt kein Echo, wie Metall es tut. Hess sagt, sie wären in guter Verfassung; er meint sogar, ihre Funkgeräte wären betriebsbereit, und sie hätten womöglich sein Kabel geortet. Sie haben doch selbst gehört, wie er sagte, wir hätten Schwierigkeiten, nicht die Eagle.«
    »Und wenn sie völlig verschwinden, wird Hess Ihnen einreden, die
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