Polar Star
Portugiesen ein Videoband an. Bis auf ein höfliches Nicken nahmen sie keine Notiz von ihren Gästen. Arkadi hatte Verständnis dafür. Wenn jemand kam, um ihnen Fragen zu stellen, dann sollte der gefälligst ihre Sprache sprechen. Schließlich hatte Portugal bereits ein Weltreich befehligt, als die Russen noch in Ruderbooten vor der Küste herumgeschippert waren. Auf dem Bildschirm war ein flaues Fußballspiel im Gange, das von einer hysterischen Stimme kommentiert wurde.
»Sina Patiaschwili«, nahm Slawa das Wort. »Kennt einer von euch Sina? Sind Sie … seid ihr … hat jemand …?« Er wandte sich an Arkadi. »Das ist reine Zeitverschwendung.«
»Fußball«, sagte Arkadi und setzte sich.
Der Diego neben Arkadi schenkte ihm ein Glas Wein ein.
»Campeonato do mundo. Du?«
»Torwart.« Ist zwanzig Jahre her, dachte Arkadi.
»Stürmer.« Der Fischer zeigte erst auf sich, dann auf den anderen Diego und auf Marco. »Stürmer. Verteidiger.« Er wies mit dem Finger auf den Fernseher. »Portugal weiß, Ingles gestreift. Ganz schlecht.«
Die drei Portugiesen fuhren zusammen, als eine Gestalt in gestreiftem Trikot durchbrach und ein Tor schoß. Wie oft mögen sie die Aufzeichnung wohl schon gesehen haben, fragte sich Arkadi, zehnmal, hundertmal? Während einer langen Seereise gewöhnte man sich daran, daß die Männer wieder und wieder die gleichen Geschichten erzählten. Das hier war nur die subtilere Tortur moderner Technologie.
Als Diego endlich den Blick vom Bildschirm wandte, zeigte Arkadi ihm den Schnappschuß von Sina und Dynka.
»Das Foto haben Sie gestohlen«, sagte Slawa. »Hier, das ist Sina.« Arkadi sah die Augen des Fischers zwischen den beiden Frauen hin und her wandern. Dann schüttelte er den Kopf. Arkadi zeigte das Foto auch den beiden anderen, zunächst ebenso erfolglos, doch dann bat der erste Diego ihn noch einmal um das Bild.
»Vvo baile«, erklärte er Arkadi. »A loura da Rüssia. A mulher com os americanos.« Er war sichtlich erregt. »Entende? Com americanos.«
»Aha, sie tanzte also mit den Amerikanern. Das hab ich mir beinahe gedacht«, sagte Arkadi.
»Beba, beba.« Diego schenkte ihm nach.
»Danke sehr.«
»Muito obrigado«, belehrte ihn Diego. »Muito obrigado.«
» Meu prazer.«
Arkadi hielt sich an der Stützstange fest, während der Transportkäfig schaukelnd auf den zweiten Trawler niederging. Slawa machte ein immer kläglicheres Gesicht, wie ein Vogel, der zusammen mit einer Katze eingesperrt ist.
»Das bringt den ganzen Arbeitsplan durcheinander.«
»Betrachten Sie’s als Feiertag«, sagte Arkadi.
»Ha!« Griesgrämig beobachtete Slawa eine Möwe, die vor einer Luke im Kielraum der Polar Star auf die Exkremente wartete, die dort ausgeleert wurden. »Ich weiß genau, was Sie denken.«
»So, was denn?« fragte Arkadi ehrlich verwundert.
»Daß ich vom Podium aus sehen konnte, mit wem Sina getanzt hat. Aber Sie irren sich. Wenn man auf dem Podium spielt, scheint einem das Licht direkt in die Augen. Fragen Sie nur die anderen aus der Band. Die werden Ihnen das bestätigen. Wir konnten niemanden erkennen.«
»Stellen Sie nur die Fragen«, sagte Arkadi. »Schließlich leiten Sie diese Untersuchung.«
Die Eagle war kleiner als die Merry Jane, ihr rot-weißer Rumpf lag flach im Wasser, an Deck erkannte Arkadi einen Seitenkran und einen Ladebaum mit einer einzigen Spule. Und anders als auf der Merry Jane war hier niemand an Deck gekommen, um sie zu begrüßen. Die beiden stiegen aus der Gondel und gingen über die Holzplanken, auf denen noch der Abfall vom letzten Fang lag: schlaffe Flundern, skelettartige Krabben.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Slawa. »Sonst sind sie immer so freundlich.«
»Sie spüren also auch was?« fragte Arkadi. »Eine gewisse Distanziertheit, nicht? Direkt zum Frösteln. Ach, übrigens, in welcher Sprache werden wir uns diesmal unterhalten? Auf schwedisch? Oder spanisch? Was für Amerikaner erwarten uns hier?«
»Sie wollen mich durcheinanderbringen, stimmt’s?«
Arkadi musterte Slawa von Kopf bis Fuß. »Sie tragen Joggingschuhe und Jeans. Sie sind ein Prachtexemplar von einem jungen Kommunisten. Ich denke, wir können uns dem Kapitän präsentieren.«
»Einen schönen Assistenten hab ich mir da eingehandelt, einen, der vor der Justiz auf der Flucht ist.«
»Schlimmer noch, einen, der nichts zu verlieren hat. Nach Ihnen.«
Die Brücke der Eagle war kleiner als die der Merry Jane, es gab weder einen Teppich noch Teakholz, doch
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