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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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dann wieder der Windschutzscheibe und dem lethargischen Rhythmus der Wischer zu. Der schwere Nebel der letzten Tage hatte diesen Schneefall ausgebrütet. Wenn Nebel Denken bedeutete, stand Schnee für Handlung. »Sie hörte, daß ich mich nach Sina und ihrem Verhältnis zu den Offizieren erkundigt habe. Da sorgte sie sich um Ihren Ruf und ließ mich wissen, daß Sie bereits eine Geliebte hätten - nämlich sie selbst. Warum tat sie das? Wie sie richtig sagte, wissen alle, einschließlich Ihrer eigenen Frau, daß Sie mit Ihrer Bufettschitsa schlafen. Sogar ich wußte das. Sie hat versucht, Fragen zu unterbinden, die notwendigerweise in eine bestimmte Richtung gegangen wären; sie hat sich gewissermaßen um Ihretwillen vor einen fahrenden Zug geworfen.«
    »Mithin stützen Sie sich also nur auf Vermutungen.«
    »Das habe ich getan, bis jetzt. Wann ist es passiert?«
    Das Rad klickte nach rechts, nach links und weiter nach links, hielt Kurs. Am Pult zeigte das Echolot die Tiefe an: zehn Faden. Erstaunlich seichte Gewässer.
    Martschuk räusperte sich oder lachte, genau konnte Arkadi das nicht unterscheiden. »Im Hafen. Ich saß ziemlich lange dort fest, während das Schiff überholt wurde. Wissen Sie, normalerweise bin ich währenddessen sehr beschäftigt, weil die Reparaturbetriebe einem ständig Schrott und Pfusch unterjubeln - minderwertiges Material, fehlerhafte Schweißarbeiten, schadhafte Kesselarmaturen. Die hochwertige Ausstattung bleibt der Marine vorbehalten, und folglich ist es eine Mordsarbeit, den Leuten anständiges Material abzuschwatzen, Messing, Kupfer, Wechselstromgeneratoren. Aber diesmal war für alles gesorgt.
    Kurz und gut, ich langweilte mich, und meine Frau war für einen Monat nach Kiew gefahren. Sie sehen, es ist die alte gefühlsduselige Geschichte. Eines Abends lud ich ein paar Marineoffiziere ein, die einmal in einem typischen Seemannslokal essen wollten. Wir gingen ins Goldene Horn. Sina arbeitete da als Kellnerin. Wir versuchten alle, mit ihr anzubändeln. Als meine Gäste so betrunken waren, daß sie nur noch ins Bett torkeln konnten, ging ich noch mal zurück. Das war das einzige Mal. Ich kannte nicht einmal ihren Nachnamen. Sie können sich mein Erstaunen vorstellen, als ich sie hier an Bord wiedersah.«
    »Hat sie Sie um einen Posten auf der Polar Star gebeten?«
    »Erkundigt hat sie sich, ja, aber als Kapitän habe ich gar nicht die Befugnis, Leute anzuheuern.«
    Es klingt, als sage er die Wahrheit, dachte Arkadi. Und selbst wenn Martschuk ihr eine Stellung auf der Polar Star verschafft hätte, dann sicher nicht ausgerechnet unter Lidia Taratuta. »An dem Abend, als das Fest stattfand, haben Sie Sina da gesehen?«
    »Ich war in der Offiziersmesse. Ich hatte die Amerikaner zu einem Büfett eingeladen.«
    »Wen genau?«
    »Die Kapitäne von der Eagle und von der Merry Jane. Die Mannschaften gingen aufs Fest, und die Kapitäne blieben mit mir in der Messe, wo wir über die weitere Route debattierten.«
    »Kapitäne haben also verschiedene Ansichten?«
    »Kaum, sonst wären sie nicht Kapitäne geworden. Natürlich spielt auch die unterschiedliche Qualifikation eine Rolle. Ein sowjetischer Kapitän muß sechs Jahre an der Marineakademie studieren, dann zwei Jahre als Küstenmaat und weitere zwei als Hochseemaat fahren, ehe er das Patent eines Hochseekapitäns erwerben kann. Es gibt immer ein paar - ich brauche wohl keine Namen zu nennen -, die sich einbilden, ein Vater im Ministerium könnte ihnen auch so zum Offizierspatent verhelfen, aber das sind die wenigsten. Ein sowjetischer Kapitän muß Prüfungen in Navigation, Elektronik, Baustoffkunde und Seerecht ablegen. Bei den Amerikanern dagegen genügt es, wenn einer sich ein Schiff kauft - damit wird er automatisch zum Kapitän. Der Streitpunkt neulich war der, daß wir, wenn wir Dutch Harbor verlassen, in vereiste Gewässer kommen. Da kann man zwar besonders guten Fang machen, aber man muß sich eben auskennen.«
    »An dem Abend, als das Fest stattfand, war Lidia da bei Ihnen?«
    »Ja, die ganze Zeit.«
    Arkadi war gar nicht wohl bei dem Gedanken an das Eis. Schon jetzt war der Horizont von Nebel verhüllt. Wenn nun von unten her noch eine Eisdecke hinzukäme und das Wasser weiß, einfärbte, würden sich die Dimensionen vollends verwischen. Außerdem verabscheute er die Kälte. »Wie weit ist es von der Offiziersmesse bis zum Heck?« fragte er.
    »Etwa hundert Meter. Das sollten Sie aber inzwischen selbst wissen.«
    »Ja, schon, aber

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