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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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von Radar- und Loran-Schirmen, von VHF und Seitenband-Radioanzeigern sowie der Glaskugel des Tochterkompasses und des mondgesichtigen Maschinentelegrafen. Links und rechts vom Fahrtpult flankierten die Ruderhebel das Deck wie ein Paar Zwillinge. Martschuk stand vor dem Fenster an Steuerbord; außer ihm war nur noch ein Rudergänger auf der Brücke. Arkadi hatte sich bisher nicht klargemacht, daß die Polar Star praktisch von allein lief. Mit bedächtigem Klicken sorgte die automatische Steueranlage dafür, daß der vorprogrammierte Kurs eingehalten wurde. Die Leuchtziffern der Armaturen, die frei in der Luft zu schweben schienen, lieferten fast ausschließlich Informationen über das, was gerade passiert war, während sie stampfend und schlingernd durch die Nacht pflügten.
    »Ach, Sie sind’s, Renko!« grüßte Martschuk, als er Arkadi erkannte. »Bukowski hat Sie schon überall gesucht. Er sagt, Sie hätten sich noch immer nicht bei ihm gemeldet.«
    »Ein Weilchen wird er sich noch gedulden müssen. Genosse Kapitän, können wir hier ungestört reden?«
    Arkadi spürte, wie der Steuermann ihn mißbilligend musterte. Fabrikarbeiter erschienen normalerweise nicht ungebeten auf der Brücke.
    »Lassen Sie uns allein«, sagte Martschuk zu ihm.
    »Aber …« Die Vorschrift verlangte, daß jederzeit zwei Offiziere oder ein Offizier und ein Steuermann auf der Brücke waren.
    »Schon in Ordnung«, versicherte Martschuk. »Ich übernehme. Seemann Renko wird Himmel und Meer beobachten und uns vor Schaden bewahren.«
    Nachdem er die Tür hinter dem Steuermann geschlossen hatte, warf Martschuk einen Blick in den Navigationsraum und vergewisserte sich, daß dort niemand war, dann postierte er sich hinter dem Ruder. Am Schott hinter ihm befanden sich ein Feuerleitstand und ein verschlossener Kasten mit Strahlungsmeßgeräten: Vorkehrungen für den Kriegsfall. Jedesmal, wenn der Autopilot sich mit leisem Klicken neu auf die Dünung einstellte, vollführte das Ruder eine kaum wahrnehmbare Drehung.
    »Haben Sie mit Sina Patiaschwili geschlafen?« fragte Arkadi ohne Umschweife.
    Martschuk antwortete nicht gleich. Übergroße Scheibenwischer verteilten den Schnee auf der Panoramascheibe. Durch die Schlieren sah Arkadi die Ankerwinden auf dem Bugdeck auf und nieder schaukeln und erkannte in den kleinen Arabesken rechts und links davon die entgegen dem Uhrzeigersinn aufgerollten Seilwinden. Weiter draußen prallte der Suchscheinwerfer an einer scheinbar undurchdringlichen Schneewand ab. Es war kalt auf der Brücke, und er begann wieder zu frösteln. Der Radarmonitor am Schaltpult vor der Windschutzscheibe war ein Foruna, ein japanisches Modell. Sein Peilstrahl, der, wenn auch durch den Schnee ein wenig verwischt, in ständiger Bewegung war, produzierte zwei Bildpunkte, die der Polar Star in gleichmäßigem Abstand folgten - vermutlich die Eagle und die Merry Jane. Wenigstens das Echolot war ein sowjetisches Fabrikat, ein Kalmar. Es zeigte an, daß die Polar Star fünfzehn Knoten Fahrt machte, was nur heißen konnte, daß die auflaufende See dem alten Schiff zu Hilfe kam. Nach den Bestimmungen der Joint-venture-Verträge durften sowjetische Schiffe ihr Echolot in amerikanischen Hoheitsgewässern nicht benutzen, aber solange kein Amerikaner auf der Brücke war, würde sich kein Kapitän auf eine Blindfahrt einlassen.
    »Ist das Ihre Methode, eine Untersuchung zu führen?« fragte Martschuk endlich. »Indem Sie aufs Geratewohl mit Anschuldigungen um sich werfen?«
    »Bei dem Zeitdruck, unter dem ich stehe, bleibt mir nichts anderes übrig.«
    »Ich höre, Sie haben die Tschaikowskaia zu Ihrer Assistentin gemacht. Eine sonderbare Wahl.«
    »Nicht sonderbarer als Ihr Auftrag an mich.«
    »Auf dem Pult liegen Zigaretten, zünden Sie mir eine an.«
    Marlboros. Als Arkadi die Zigarette für ihn ansteckte, starrte der Kapitän ihm über die Streichholzflamme hinweg in die Augen. Solcher Einschüchterungsversuche bedienten sich starke Männer gern, wenn sie prüfen wollten, ob und wo ihr Gegenüber verwundbar war. »Haben Sie Fieber?«
    »Nur eine Erkältung.«
    »Slawa bezeichnet Sie und Natascha als zwei seiner >Waschlappen<. Wie finden Sie das?«
    »Slawa könnte ein paar Waschlappen ganz gut gebrauchen.«
    »Hat Natascha was über mich und Sina gesagt?«
    »Sie hat mich mit Lidia bekanntgemacht.«
    »Was denn, Lidia hat’s Ihnen erzählt?« fragte Martschuk bestürzt.
    »Nicht mit Absicht.« Arkadi blies das Streichholz aus und wandte sich

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