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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Liebe. Aber auch eine Selbsttäuschung. Und absolut unehrlich.«
    »Ich akzeptiere die Bedingungen, zu denen ich ins Leben gerufen wurde.«
    »Oh, Chase, Sie fangen an, schrill zu klingen. Sie sind noch jung. Lassen Sie der Sache Zeit. Warten Sie, bis sich die ersten Auswirkungen des Winters in Ihren Gelenken einnisten. Fühlen Sie das erste Herzflattern, die Taubheit in den Fingerspitzen, das stärker werdende Gefühl der Kälte in ihren Eingeweiden, wenn der Reiter herangaloppiert. Und er wird kommen. Im Galopp, wie Sie noch feststellen werden. Keiner von uns ist wirklich jung. Wir werden alt geboren. Wenn ein Jahrhundert für jemanden wie Sie auch lang erscheint, kann ich Ihnen doch versichern, dass der Wechsel der Jahreszeiten vor Ihnen verschwimmen wird, wenn die Jahre immer schneller und schneller dahinziehen.«
    Er hatte natürlich Recht. Niemand von uns gibt gerne zu, dass er etwas haben will, was er einfach nicht haben kann. Es kommt nicht darauf an, ob es dabei um ein Haus geht oder um einen Liebhaber oder ewige Jugend. Wir machen uns einfach immer wieder etwas vor. »Professor, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht erfolgreich waren?«
    Sein Blick wurde bohrend. »Sehen Sie mich an«, forderte er mich auf. »Komme ich Ihnen wie der Mann vor, der das Geheimnis der Unsterblichkeit kennt?«
    Ich sagte nichts dazu, und er setzte ein breites Lächeln auf. »Das Problem ist grundlegender Natur. Es reicht nicht aus, die Zellen dazu anzuregen, sich unendlich zu reproduzieren. Sie müssen auch miteinander kommunizieren. «
    »Synapsen.«
    »Sehr gut. Ja, Synapsen. Diese Fähigkeit ist der eigentliche Kern jeglichen Lebens. Hirnzellen kollaborieren, um die Entscheidung darüber zu fällen, ob es gescheit wäre, einer Flutwelle auszuweichen. Zellen des Verdauungssystems arbeiten gemeinsam daran, die lebensnotwendigen Nährstoffe aus der letzten Mahlzeit zu extrahieren. Muskelzellen nehmen Anweisungen von Nervenzellen entgegen.
    Wenn ein menschliches Wesen hundertfünfundzwanzig Jahre alt wird, hören die Zellen einfach auf, miteinander zu reden. Lange Zeit wussten wir nicht, woran das lag.«
    »Wissen wir es jetzt?«
    »Ioline.«
    »Das ermöglicht die Kommunikation?«
    »Das lässt sie entstehen. Wenn der Körpervorrat an Ioline zu Ende geht, brechen die Prozesse ab. Wir haben versucht, die körpereigene Produktion zu stimulieren, haben versucht, einen synthetischen Cocktail zuzusetzen. Nichts davon funktioniert. Außer für einen sehr begrenzten Zeitraum. Es scheint eine Art Uhr zu geben, einen Wecker, etwas, das festlegt, wann die Lichter ausgehen. Man nennt das das Crabtree-Limit.« Er erging sich in detaillierten Erklärungen, denen ich von Anfang an nicht folgen konnte. Aber ich hörte aufmerksam zu und nickte dann und wann, als hätte ich ihn verstanden. Als er fertig war, fragte ich ihn, ob er noch irgendeine Hoffnung hätte, dass das Problem gelöst werden kann.
    »Das ist seit Jahrtausenden der Heilige Gral der Wissenschaft«, antwortete er. »Barcroft hat vor zwei Jahrhunderten in der Stadt auf dem Crag geglaubt, er hätte die Lösung gefunden, etwa zu der Zeit, als die Stadt von den Stummen angegriffen wurde. Er wurde getötet, sein Labor zerstört. Niemand weiß, wie nahe er der Lösung gewesen sein mag.« Ein düsterer Ausdruck legte sich über seine Augen. »Dummheit kommt uns stets teuer zu stehen.« Er starrte an mir vorbei, fixierte etwas, das ich nicht sehen konnte. Dann zuckte er mit den Schultern. »Im letzten Jahrtausend könnte Torchesky eine Möglichkeit entdeckt haben, den Körper dazu zu bringen, die Iolinproduktion fortzusetzen, und es gab sogar Gerüchte, dass tatsächlich ein paar Unsterbliche geschaffen worden seien. Dass sie immer noch irgendwo da draußen leben und sich vor dem Rest von uns verstecken. Das sind natürlich nur Legenden. Seine Arbeit fand in einer Zeit statt, die von instabilen politischen Verhältnissen geprägt war. Viele Leute zeigten sich beängstigt, wenn sie hörten, woran er arbeitete. Es gab einen theologischen Aufruhr. Schließlich wurden er und seine Arbeit von einem frömmelnden Pöbel heimgesucht, und das ist das Letzte, was von ihr bekannt ist. Und von ihm.
    Es hat noch andere Berichte über wichtige Fortschritte gegeben, die vielleicht stichhaltig gewesen sind, vielleicht aber auch nicht. Letztendlich hat nichts von alldem je Wirkung gezagt.«
    »Sind Sie der Lösung nahe?«
    »Ja«, antwortete er. »Sie steht unmittelbar bevor.«
    Unmittelbar.

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