Polaris
Polaris-Zwischenfall informiert bin, ist Delta Karpis zu weit entfernt, sodass die Kommission imstande war, die Möglichkeit, ein anderes Schiff wäre in der Nähe gewesen, auszuschließen.«
Im Publikum wurde es unruhig. Jemand sagte: »Das habe ich euch doch gesagt.«
Eine Teilveranstaltung bediente sich eines Avatars von Jess Taliaferro, dem Einsatzleiter, der die Mission in Diensten der Vermessung organisiert hatte. Er erzählte, wie sehr er sich über die Gelegenheit gefreut habe, Klassner und den anderen etwas zurückgeben zu können, und wie verheerend diese Neuigkeiten gewesen seien.
Ich stand neben einem älteren Paar, das mit allerlei Tand aus dem Souvenirladen bepackt war. Sie hatten Bücher, Chips, ein Modell der Polaris, ein Polaris-Halstuch und ein Bild von Maddy und ihren Passagieren bei sich.
Ich sagte Hallo, und sie lächelten. »Ich erinnere mich noch an die Zeit, als es passiert ist«, sagte der Mann, darum bemüht, nichts fallen zu lassen. »Wir konnten es nicht glauben. Niemand konnte das glauben. Alle haben gedacht, die ersten Berichte wären falsch und dass die Leute irgendwo auf einem der unteren Decks sein müssten oder so was.«
Der formelle Teil der Präsentation war beendet. Er war schon beinahe vorbei gewesen, als ich gekommen war. »Der arme Mann«, sagte die Frau.
Sie sprach von Taliaferro. »Ich nehme an«, erwiderte ich, »diese Erfahrung hat ihn für den Rest seines Lebens gezeichnet.«
Sie mochte ergraut sein und zerbrechlich aussehen, aber sie besaß eine robuste Seele, die sich in ihrem Blick zu erkennen gab. »Natürlich«, sagte sie. »Denken Sie nur daran, was aus ihm geworden ist.«
»Was ist aus ihm geworden?«, fragte ich.
Beide schienen angesichts der Frage recht verwundert zu sein. »Er ist ebenfalls verschwunden«, antwortete die alte Frau. »Wahrscheinlich ist er über diesen Schock nie hinweggekommen. Zwei, drei Jahre danach ist er zur Vordertür der Einsatzzentrale der Vermessung hinausgegangen, und niemand hat ihn je wieder gesehen.«
Nun bekam das Publikum Gelegenheit, eigene Fragen einzubringen, und die Leute konnten es sich nicht verkneifen, sich zu erkundigen, wo Taliaferro an jenem Nachmittag vor siebenundfünfzig Jahren hingegangen war. »Es war ein schöner Sommertag«, sagte der Avatar. »Alles war wie immer. Ich räumte meinen Schreibtisch auf, räumte alles auf, was für meine Verhältnisse recht ungewöhnlich war, weshalb offensichtlich war, dass ich gewusst habe, dass dies mein letzter Tag an meinem Arbeitsplatz sein würde.«
»Und was ist aus Ihnen geworden, Dr. Taliaferro?«, fragte ein Mann in der ersten Reihe.
»Ich wünschte, ich wüsste es.« Der Avatar hatte Taliaferros Persönlichkeit und verfügte über sämtliches Wissen, das die Datenverarbeitungssysteme ihm mit auf den Weg hatten geben können, alles, was Taliaferro je preisgegeben hatte. »Aber ich habe ehrlich keine Ahnung.«
Es gab eine Ausstellung für Sammler, einen Raum, angefüllt mit Büchern über das Ereignis, Polaris-Uniformen, Modellen, Spielen, Bilder des Captains und der Passagiere. Und da war auch wieder Ormonds Gemälde, das Dunninger zeigte, wie er über einen Landfriedhof hinausblickte. Etliche Händler boten Bekleidungsstücke aller Art an, die das Siegel des Schiffes trugen. Das interessanteste Stück war jedoch in meinen Augen ein Set, bestehend aus vier Büchern, die angeblich aus Maddys persönlicher Bibliothek stammten. Ich hätte mit Abhandlungen über Navigation und Instandhaltung interstellarer Schiffe gerechnet; stattdessen erblickte ich Plato, Tulisofalla, Lovell und Sims Mensch und Olympier. An der Dame war mehr dran als eine Pilotenlizenz und ein hübsches Gesicht. Hätte sich der Preis für die Bücher im Rahmen des Vernünftigen bewegt, so hätte ich sie vermutlich gekauft.
Nach meinem Eindruck behandelten die Teilnehmer des Kongresses die ganze Geschichte eher wie ein Freizeitvergnügen, keinesfalls wie eine ernste Angelegenheit. Sie kannten sich ganz sicher nicht so gut mit den historischen Fakten um die Polaris aus, wie sie es Außenstehenden gern weismachen wollten. Wahrscheinlich ging es vor allem darum, das Universum etwas rätselhafter zu gestalten, etwas romantischer und vielleicht weitaus weniger berechenbar, als es tatsächlich war. Ich jedenfalls schloss aus alldem, dass niemand hier wirklich an den fremden Wind glaubte. Aber die Veranstaltung schenkte ihnen eine Möglichkeit, wenigstens ein paar Stunden lang so zu tun, als
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