Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
könne es genauso geschehen sein.
    Der Abend war eine Art Hyperbel. Teils feierlich, teils spekulativ, teils Mythenspinnerei. Und ein bisschen Bedauern.

 
SIEBEN
     
     
Wenn der Wind darübergeht, so ist sie nimmer da…
    Buch der Psalmen 103,16
     
    Die Polaris-Tagung hatte mir exakt das geliefert, was ich brauchte: einen Grund, mich von meiner üblichen Routine zu lösen und einen so wirren und unsinnigen Abend zu erleben, dass es die reinste Freude war. Nachdem die angekündigten Präsentationen vorüber waren, fanden gleich mehrere Partys statt, die sich bis tief in die Nacht hinein zogen. Kurz vor Anbruch der Dämmerung kam ich nach Hause, schlief drei Stunden, stand wieder auf, duschte und stolperte ins Büro. Ich hatte nur einen halben Arbeitstag zu bewältigen, und ich wusste, dass ich bis zur Mittagszeit durchhalten konnte. Aber ich hoffte, dass der Tag keine Überraschungen bereithielt, die klares Denken von mir fordern würden.
    Immer mehr Anrufe trudelten ein, überwiegend von Leuten, die nicht zu unserem Stammkundenkreis zählten, und alle fragten, welche Polaris-Artefakte wir besaßen, erkundigten sich nach Preisen oder machten gleich ein Angebot. Die Sache hatte also die Runde gemacht.
    Die Gebote waren, wie ich dachte, sehr hoch. Selbst, wenn man die Zerstörung der gesamten übrigen Ausstellungsstücke mit einkalkulierte. Aber Alex nickte nur weise, als ich ihm die Zahlen meldete. »Bevor das alles vorbei ist, werden die Preise die Schallmauer durchbrechen«, sagte er. »Übrigens…« Er blickte unschuldig zur Decke empor, konnte aber ein Lächeln nicht ganz verbergen. »Wie war es gestern Abend?«
    »Gut.«
    »Tatsächlich? Und was hatten sie über die Leute an Bord der Polaris zu sagen? Dass Geister sie geholt haben?«
    »So ungefähr.«
    »Nun ja, es freut mich zumindest, dass du dich amüsiert hast.« Er sah mir an, dass ich eine Frage hatte. »Was?«, sagte er.
    »Bist du sicher, dass du das hier behalten willst?« Ich meinte die Jacke und das Glas. »Wir könnten einen Haufen Geld dafür verlangen. Damit allein wärest du dieses Quartal schon sicher in der Gewinnzone.«
    »Wir behalten es.«
    »Alex, wir sind in der Phase des höchsten Käuferinteresses. Ich stimme dir zu, dass sie noch mehr bieten werden, aber das könnte noch sehr lange dauern. Kurzfristig müssen wir mit einem Rückgang der Nachfrage rechnen. Du weißt doch, wie das läuft.«
    »Wir behalten es.« Er kam herüber und betrachtete das Glas, das den Bücherschrank in dominanter Weise zierte.
     
    Am nächsten Morgen verkündete CBY, dass der Mazha ermordet worden war. Offenbar von seinem eigenen Sohn. Mit einem Messer, und seine Wachleute hatten zugesehen.
    »Auch gut«, kommentierte Alex. »Den wird niemand vermissen.«
    Ich hatte ihm nichts von dem Anruf erzählt. Es war schlicht peinlich, persönlichen Kontakt welcher Art auch immer mit einem Monster zu pflegen. Aber als diese Neuigkeit aufkam, erzählte ich Alex alles, was passiert war.
    »Du musst Eindruck auf ihn gemacht haben«, sagte er.
    Und ganz gegen meinen Willen empfand ich Mitleid mit dem Mazha.
    Alex war ein guter Arbeitgeber. Ich war für die Alltagsgeschäfte verantwortlich, und er überließ es mir, wie ich meine Arbeit machte, ohne mich mit Vorschriften zu überhäufen. Er selbst verbrachte den größten Teil seiner Zeit damit, Kunden und Einkaufsquellen bei Laune zu halten, aber er legte auch großen Wert darauf, mich etwa zur Wochenmitte aus dem Büro zu entführen und zum Essen einzuladen.
    Ein paar Tage nach der Tagung gingen wir zum Abendessen zu Molly’s Top of the World, das sich ganz oben auf dem Gipfel von Mt. Oskar befand, dem höchsten Berg der ganzen Gegend. Alex war aufgeregt, weil er einen altdeutschen Kohleofen aufgespürt hatte. Das Ding war ein Vermögen wert, und der Eigentümer brauchte Geld und wollte nur ein schnelles Geschäft machen. Normalerweise brachten wir lediglich Anbieter und Kunden zusammen, doch in diesem Fall war der Preis so gut, dass Alex darüber nachdachte, den Ofen selbst zu kaufen.
    Wir unterhielten uns eine ganze Stunde lang über Öfen und europäische Antiquitäten. Er wollte meine Meinung hören, und ich sagte ihm, klar, kauf ihn, was haben wir schon zu verlieren? Kaum war die Entscheidung gefallen, verfielen wir in unverbindliche Plaudereien. Als wir fertig waren, war es schon spät, und normalerweise hätte er mich nach Hause gebracht, aber ich hatte noch zu arbeiten; also machten wir uns auf den Weg zum

Weitere Kostenlose Bücher