Polarrot
Dort, wo sie ausprobieren, was man so alles weitermachen kann.“
„Sie waren aber nicht …“
„Doch.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“
„Ja, warum denn, Herrgottsack.“
„Na, sagen wir es so. Ich habe jemandem, der in anderen vorderen Bänken saß, geholfen, aber jetzt sitzt er nicht einmal mehr in der hintersten Bank.“
„Tot?“
„Nein, in Holland, wenn er es geschafft hat.“
Der Pfarrer griff zum Glas. Breiter tat es ihm nach. Der Pfarrer trank es in einem Zug leer und schenkte nach.
„Gut. Ich kann jetzt verstehen, warum Sie nie zum Gottesdienst kamen. Da … da, wo Sie waren, war wohl Gott nicht zur Stelle?“
„Oh, täuschen Sie sich nicht.“
„Die Aufgabe ist für ihn wohl zu schwierig, wie so vieles.“
„Das kann man wohl sagen. Aber er war, für mich, irgendwie mehr da. Ja, mehr da als sonst.“
„Mehr da?“
„Ja.“
„Trotz der kniffligen Aufgabe?“
„Ja.“
„Und?“
„Also, das Schlimme ist, dass die böse sein müssen. Die werden angehalten böse zu sein.“
„Wer die?“
„Die Deutschen.“
„Aber das befolgen wohl nicht alle?“
„Nein, nicht alle. Aber die, die darauf gewartet haben, dass ihnen dies einmal jemand befiehlt, die stehen in der ersten Reihe. Die bekommen Formulare und Abzeichen für das Böse. Und so werden sie böser und böser.“
„Sie sind nie böse?“
„Nein, eigentlich nicht. Ich habe das – glaube ich – nicht in mir. Aber, so wie ich mich kenne – mmh, wollen wir nichts verschreien.“
„Wie sind Sie denn?“
„Mmmh, gute Frage. Auf alle Fälle nicht mehr militärdiensttauglich. Das weiß ich.“
„Sind Sie sich dabei sicher?“
„Es ist wegen dem Bösen, Herr Pfarrer. Das Böse teilt einem Massenunterkünfte zu, eng, verschwitzt, verkotet, bewacht, bespitzelt, keine Auswege.“
Der Pfarrer lehnte sich nach vorne, machte Anstalten aufzustehen, schenkte nochmals nach, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre, lehnte sich wieder zurück in seinen Sessel, versank darin in eine tiefere Haltung und sagte: „Ich verstehe. Das wäre im Militärdienst ähnlich.“
„Danke“, antwortete Breiter und machte es sich in seinem Sessel auch bequemer.
„Darf ich Sie was fragen, Herr Breiter, so aus einer persönlichen, ja beruflichen Neugier heraus?“
„Ja, selbstverständlich.“
„Wo war der Teufel?“
„Der Teufel?“
„Ja, ja, der Teufel.“
„Aaahh … mmh, ich weiß … ich würde sagen …“
„Was würden Sie sagen? Sagen Sie es! Schnell, bevor es der Teufel holt.“
„Also, ich würde sagen … nahe bei Gott.“
„Ha, dacht ich’s doch. Wo der Eine säuft, schenkt der Andere nach, das denken Sie doch.“
„Ja. Ungefähr.“
„Die gehen nie alleine aus, nicht, Herr Breiter, das sind uralte Zechkumpane, da kommt der Eine ohne den Anderen nicht aus?“
„Ja, nein, aber … da war viel Leid. So viel Leid.“
„Ja was meinen Sie denn: Wo die auftreten, da fliegen die Fetzen. Das Fleisch ist von Gott, der Geist vom Teufel. Das meinen Sie doch, oder?“
„Wie? Mein Gott.“
„Ja, richtig, Herr Breiter, möge Gott der Ihre sein, aber ein Pfarrer sollte auch denken, nicht? Sehen Sie, Sie täuschen sich, Gott ist nicht da, er ist im Himmel. Und das ist das Problem.“
Der Pfarrer kam wieder nach vorn in seinem Sessel, schenkte beiden nach und hob an: „Sehen Sie, Herr Breiter, Gott hat uns aus Erde geschaffen, zuerst uns Mannen und für die Frauen hat er dann eine unserer Rippen genommen. Also kein Dreck und Staub, sondern Fleisch und Knochen. So, und jetzt kann man sagen, da die Eva nicht einfach aus Erde, sondern aus einem bereits von Gott veredeltem Material geschaffen wurde, müsste sie demnach auch ein bisschen klüger als Adam sein, nicht wahr, Herr Breiter?“
Breiter nickte.
„Und mit der Klugheit geht bekanntlich die Neugier Hand in Hand. Eine leichte Beute also für den Teufel, der damals noch gar nicht der Teufel war, sondern so quasi ein Kompagnon von Gott. Und der Diabolus, der Durcheinanderwerfer, der Widerredner, wie er eigentlich geheißen hat, Sie wissen ja, Herr Breiter, nur zwei gegensätzliche Geister vermögen wirklich Großes zu schaffen, gut, wie dem auch sei, der Beelzebub, der interessierte sich im Gegensatz zu Gott für die Geschöpfe im Paradies. Und das Interesse ging auch ein wenig mit Mitleid einher, lebten die doch einfach dumpf und ewig glücklich in dem Paradies vor sich hin. Kein Dasein mit Zukunft für ein so ausgeklügeltes Produkt, das nach dem
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