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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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nochmals nach. Und nochmals. Und die Zuversicht, dass ihn das Glück wieder gefunden hatte, festigte sich von Schluck zu Schluck.
    Am anderen Morgen begab sich Breiter in Nagels Büro, legte ihm den Schlüssel des Lieferwagens aufs Pult und kündigte per sofort. Nein, sie müssten ihm nichts bezahlen, nein, es sei auch nicht wegen des Betriebsklimas und ja, er wisse, wie schwierig es in diesen Zeiten sei, Arbeit zu finden und ja, sie müssten sich keine Sorgen um ihn machen, er habe einfach genug von Lang-, Kurz- und Mittelwelle. Von Röhren und Schaltplänen, nein, nein, dies sei nicht seine Welt. Sagte es und dankte Nagel noch einmal von ganzem Herzen für das Angebot und dass er stolz sei, für die Phonfam gearbeitet zu haben, aber es gehe jetzt einfach nicht mehr.
    Nagel ließ ihn unter Bedauern ziehen, schließlich verlor er von einem Tag auf den anderen einen seiner besten Vertreter, was Breiter mit einem kaum wahrnehmbaren Hüpfer an der Schwelle zum Firmengelände quittierte. Er schlug den Weg nach Hause ein, nahm zwei Goldbarren, versteckte die restlichen zweiundzwanzig Barren an einem anderen Ort im Keller, von dem Elsie nichts wusste, ging zum örtlichen Citroën-Händler und holte sich den neuesten Prospekt des Traction Avant. Das Titelbild zeigte einen vollbepackten 11er, Mann am Steuer mit Hut, auf dem Beifahrersitz wohl seine Frau und im Fonds ein befreundetes Pärchen. Darunter ein gelber Balken, in dem sich die wichtigsten Daten fanden: 5 Plätze, 4 Türen, Kofferraum. Der Citroën Traction Avant 7 kommt auf knappe 100 km/h, der 11er auf exakte 112 km/h. Der Verbrauch liegt bei rund 10 Litern Benzin auf 100 km/h. Dazu Vorderradantrieb, Vollstahlkarosserie, Hydraulikbremsen und Zahnstangenlenkung. So viel Fortschritt auf einmal und alles zu einem vernünftigen Preis machte Breiter fiebrig. Mit weit ausholenden Schritten machte er sich zum Telefon- und Telegraphenamt auf, rief verschiedene Autohändler in Bern an, erkundigte sich und verglich die Preise, entschloss sich letztlich für einen Citroën Traction Avant 7C, Baujahr 1938, setzte sich in den Zug nach Bern, ging schnurstracks zur Nationalbank, wechselte die beiden Goldbarren gegen Bares, nahm die Tram und fuhr zum Autohändler, wo er das Objekt seiner Begierde einer gründlichen Prüfung unterzog.
    Der Händler machte ihm auch noch den „11er Leicht“, mehr PS und schneller, schmackhaft, rechnete ihm den Preis mit normalem Rabatt, Mitnehm- und Barzahlrabatt vor, und auch Breiter rechnete, war doch der Goldpreis zwischen Mariastein und Solothurn, zwischen Charlotte und Elsie, um tausendzweihundert Franken gestiegen, was bedeutete, dass er den 7er praktisch aus diesem Gewinn bezahlen und den 11er bei all den Rabatten mit einem Verlust von geringen neunhundert Franken kaufen konnte. Breiter schlug unter der Bedingung ein, den 11er gleich mit einer Garagennummer mitnehmen zu können, um ihn in Solothurn einzulösen und in zwei, drei Tagen das Händlerschild wieder zurückzubringen.
    Der Händler schlug ein, erledigte die Formalitäten, Breiter legte den Betrag auf den Tisch, man stieß noch mit einem Glas Weißwein auf den Abschluss an, Breiter ließ sich die Schlüssel aushändigen und fuhr davon Richtung Start-Ziel-Gerade der Grand-Prix-Rennstrecke von Bern.
    Vor der Holztribüne stoppte er, ließ den Motor aufheulen, legte den Gang ein, löste sanft die Kupplung, und der Vorderradantrieb zog ihn mit zügiger Beschleunigung nach Bern-Bethlehem. Breiter schaltete hoch, steuerte den Wagen sicher über die Eichholz Passerelle, vorbei an Wald, Wiesen und Kühen, von Lichtwechsel zu Lichtwechsel, über Asphalt, Schotter und Kopfsteinpflaster hinunter zur berüchtigten Eymatt-Kurve, die mit einem großen Bogen beginnt und zunehmend enger wird. Durch den tiefen Schwerpunkt des Elfers ließen sich die Kurven auch bei hoher Geschwindigkeit wie auf Schienen fahren. Nach der Eymatt versuchte sich ein Opel an ihn zu hängen. Breiter schaltete zurück, ließ ihn dadurch nahe aufrücken, gab Gas und schoss die Wohlenrampe hoch, drückte aufs Gas, sein Verfolger wurde im Rückspiegel kleiner und kleiner, dann deckte er ein Fuhrwerk beim Überholen mit mächtig viel Staub ein, blickte bei der Glasbrunnenrampe nochmals in den Rückspiegel und zu seiner spitzbübischen Freude war niemand mehr zu sehen. Jetzt noch die scharfe Forsthauskurve, sauber rausbeschleunigen und mit über hundert Sachen auf die Zielgerade. Breiter stellte sich vor, wie der Rennleiter ihn

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