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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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der Plakate, die Aufrufe zum Zusammenhalt, die Appelle an den unbedingten Wehrwillen, ja die ganze Ausstellung eine Vorbereitung der Schweizer Bevölkerung auf einen kommenden Krieg waren.
    Und das passte ihm ganz und gar nicht, denn es bereitete ihm zwei Probleme. Erstens wollte er unter gar keinen Umständen Dienst tun, weder als Soldat noch als Hilfsdienstler. Zweitens lag das ganze Gold sehr nahe an der französischen Grenze und die würde im Falle eines Kriegsausbruches besetzt. So käme er wahrscheinlich nicht mehr unbemerkt mit Spaten und Schaufel zu den „Weinenden Frauen“.
    Es galt zu handeln. Und zwar schnell. Tag für Tag verschlechterte sich die politische Großwetterlage. In den Zeitungen wurde über die möglichen Auswirkungen einer Teilmobilmachung auf die Beziehungen mit dem Deutschen Reich geschrieben. Folglich holte er an einem Samstag Ende Juni den Picknickkorb sowie den Spaten aus dem Keller und lud Elsie zu einem Ausflug zum Kloster Mariastein und zur traumhaft schön gelegenen St. Anna-Kapelle ein.
    Elsies Staunen, Aufregung und Angst waren groß, als Breiter aus einem erdbebröselten Tuch vierundzwanzig Goldbarren auswickelte. Breiter war einfach froh, dass sie noch da waren, doch Elsie konnte sich kaum mehr halten. Sie war ganz außer sich, redete wild durcheinander von Haus, von Bank, von Auto, von Glück und von Liebe. Breiter steckte das Gold in den Picknickkorb, setzte sich auf die Bank vor der St. Anna-Kapelle und steckte sich eine Zigarette an.
    „Elsie, setz dich zu mir und hör mir mal zu.“
    „Ja, muss aber erst ausschnaufen, Jacques, Jacques, du bist reich, Jacques, wir sind reich, einfach reich, mein Gott, Jacques, ich muss erst mal ausschnaufen, wir können ein eigenes Haus, ausschnaufen, ein eigenes Auto, einatmen, wir, wir, wir, einatmen …“
    Breiter rauchte, Elsie schwatzte und Elsie atmete. Irgendwann wurde es ihm zu bunt, er packte sie um die Hüfte, hob sie mit dem Rücken gegen sein Gesicht auf seinen Schoß. Allmählich kehrte Ruhe ein, ihr Atem ging in den Rhythmus seiner Stöße über, bis kein Gold, kein Haus und kein Auto mehr zählte.
    Nachher drehte Breiter sie um, küsste sie allerliebst, blickte ihr tief in die Augen und bat sie abermals ihm zuzuhören.
    „Das Gold gehört nicht mir, Elsie.“
    Es war einer dieser Augenblicke, in denen Breiter Elsie durch und durch wahrnahm, was nicht so oft der Fall war. Sie hatte in seinen Gefühlen und Gedanken keine andauernde Gegenwart. War er mit Elsie zusammen, war sie manchmal da, manchmal nicht und war er nicht mit ihr zusammen, war sie nur ganz selten da. Im Gegensatz zu Charlotte. Charlotte war damals immer da. Und auch heute noch klang das Echo ihrer rauen Stimme täglich nach.
    Um ihre Liebe mussten Elsie und Breiter in keiner Weise kämpfen. Da waren weder freundschaftliche noch familiäre Verflechtungen, die ihnen das Glück hätten streitig machen können. Auch gab es keine Bedingungen, die Heimlichkeiten erfordert hätten.
    Es war so, wie es mit Charlotte nie gewesen war. Gegenüber Elsie war Charlotte die andauernde Erregung, eine Herausforderung, von der er vor jedem Aufeinandertreffen nicht wusste, ob er ihr gewachsen sei, ob diese Geste oder jene Äußerung das schnelle Ende oder eine festigende Vertiefung auslöste, ob der Himmel des Eros winkte oder die Hölle der Auseinandersetzung drohte.
    Breiter wurde hin und her geworfen, durchbrach die weiten Grenzen, die er seiner Existenz bislang gesetzt hatte Mal für Mal, ohne Chance kurz innezuhalten, um darüber nachzudenken. Das Leben hatte einfach zwei Gänge hochgeschaltet und ihm blieb keine Zeit, den Sand aus dem Getriebe zu blasen.
    Das Zusammensein mit Elsie hingegen war von einer nüchternen Gegenwart geprägt, die die feine Linie zwischen Liebe und eben anderer Liebe zog.
    Obwohl, in diesen seltenen Augenblicken liebte er sie, durch und durch und gestand sich dies auch ein. Aber die Augenblicke verflüchtigten sich wieder, die Begehrlichkeit reduzierte sich auf aufwallende Momente, und die Normalität war ein partnerschaftliches Nebeneinander.
    „Hast du mich verstanden, Elsie, das Gold gehört nicht mir.“
    Elsie schaute ihn nur an, eine Weile, hielt ihn sodann unvermittelt an beiden Ohren fest, schüttelte seinen Kopf und lächelte: „Es gehört nicht dir, aber wir haben es.“
    Sie sprang von seinem Schoß, ging zum Gittertor der St. Anna-Kapelle, bekreuzigte sich mit einem kleinen Knicks vor der auf dem Altar stehenden Statue, kam zu

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