Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Sonne über der Lombardei noch häufig scheint, aber ihr Strahlen schon golden wird und auf den Alpengipfeln, die sich bei gutem Wetter hinter der Start-und Zielgeraden zeigen, bereits der erste Schnee glänzt. Beim Grand Prix in Monza hat es selten geregnet. Seit die Formel 1 1950 zum ersten Mal kam, ist kein Rennen überliefert, das wirklich ins Wasser fiel. Was 2008 am Freitag beim ersten Training passiert, hat deshalb Seltenheitswert: Von Anfang an ist die Piste feucht. Und nach einer halben Stunde regnet es nicht nur, es beginnt zu schütten. So stark, dass die Kanäle volllaufen. Das Wasser schwappt in die Boxen, wo die Mechaniker versuchen, es mit Schrubbern hinauszukehren. Das Gewitter ist so heftig, dass die TV -Bilder zeitweise ausfallen. Vier Minuten vor dem geplanten Ende wird die Einheit abgebrochen. Zu gefährlich. Die Favoriten haben sich bis dahin kaum gezeigt. Die McLaren-Fahrer Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen? Haben jeder nur einmal eine Einroll-Runde absolviert. Die Ferrari-Piloten Felipe Massa und Kimi Räikkönen? Kommen zusammen gerade einmal auf zehn Umläufe.
Toro Rosso geht die Sache anders an. Das Team hat keinen Simulator, keinen Windkanal und keinen Hochleistungsrechner. Gerade weil es nass ist: Sebastian Vettel und Sébastien Bourdais fahren. Im strömenden Regen am Freitagvormittag legen sie 191 Kilometer zurück. Am Samstagvormittag, als die Bedingungen auch nicht viel besser sind, noch einmal 110. Die McLaren-und die Ferrari-Lenker halten sich auch da vornehm zurück. Die Überheblichkeit der vermeintlich Starken – sie wird sie noch teuer zu stehen kommen. »Bei normalem Wetter spricht das Auto mit einem. Bei Regen flüstert es nur noch.« Michael Schumacher hat das einmal gesagt. Sebastian Vettel lernt auf den rutschigen Runden nicht nur, an welchem Baum oder Schild er sich orientieren kann, wenn die Strecke in der Gischt kaum mehr zu erkennen ist, wo sich Wasserlachen bilden und Rinnsale den Kurs queren, er lernt auch, auf sein Auto zu hören. Es ist nur 20 Grad warm. Trotzdem hat er kein Problem, seine Bremsen auf Temperatur zu bringen. Härtere Federn oder weichere? Mit den weicheren fühlt er sich im Nassen wohler. Manchmal kommt es bei der Abstimmungsarbeit nicht nur auf Daten und Fakten an. Manchmal ist es auch eine Gefühlssache.
Drei verschiedene Reifen gibt es: Regenreifen, Trockenreifen und dazwischen so genannte Intermediates. Jeder Reifen funktioniert nur in einem bestimmten Bereich, einem Fenster, auf das die Feuchtigkeit einen Einfluss hat, aber auch die Asphalttemperatur. Ab wann sich das Fenster für die Intermediates öffnet, ist eine wichtige Frage. Toro Rosso findet eine Formel: Wenn die Rundenzeiten 1,32 Minuten nicht unterschreiten, bleiben Regenreifen die bessere Wahl. Am Samstagvormittag glückt Sebastian Vettel die zweitbeste Zeit. Aber das alleine ist es nicht. Er fühlt sich wohl in seinem Auto. Er weiß, dass er ein gutes Werkzeug zur Hand hat. Jetzt hat er den Druck, es auch gut einzusetzen. Er sagt zu seinem Renningenieur: »Wenn es heute Mittag in der Qualifikation regnet, müssen wir angreifen. Dann müssen wir auf die Pole Position zielen.«
Favoritenfehler
Sechs aus sieben: Von den sieben Regenrennen, die es in den eineinhalb Jahren vor dem Großen Preis von Italien 2008 gegeben hat, haben sechs McLaren oder Ferrari gewonnen. Der Regen hilft Außenseitern. Aber um ganz vorne zu landen, ist ein gutes Auto doch eine große Hilfe: Ein gutes Auto ist auch unter schwierigen Bedingungen am einfachsten zu bewegen. Die Favoriten für die Jagd auf den besten Startplatz heißen deshalb auch in Monza Lewis Hamilton, Heikki Kovalainen, Felipe Massa und Kimi Räikkönen. Die Qualifikation ist dreigeteilt. Nach den ersten 20 Minuten scheiden die fünf Schlechtplatziertesten aus. Es regnet. Mal stärker, mal schwächer. Die Bedingungen sind für Überraschungen gut. Im ersten Qualifikationsdurchgang bleiben die aus. Aber im zweiten erwischt es Räikkönen und Hamilton. Der Finne kommt in einer Schikane, in der viel Wasser steht, von der Strecke ab. Als er wieder Schwung geholt hat, hat der Regen aufgefrischt, und Räikkönen bleibt chancenlos. Startplatz 14. Noch einen Rang weiter hinten landet Hamilton. Für einen Favoriten wählt er eine ungewöhnliche Strategie: Er setzt auf Risiko. Obwohl keinem eine Rundenzeit glückt, die unter 1:35 Minuten liegt, rückt Hamilton zu seinem ersten Versuch, eine schnelle Runde zu drehen, auf Intermediates aus. Die
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