Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
erwarten, dass wir um den Sieg mitfahren.« McLaren-Chef Ron Dennis sieht das ähnlich. Er behauptet kühn: »Wir haben das beste Auto, den besten Top-Speed und die beste Taktik.«
Der erste Sieg
Am Sonntag hängen wieder dichte Wolken über dem Autodromo Nazionale. Als Sebastian Vettel am Morgen aus seinem Wohnmobil steigt und zum Joggen aufbricht, denkt er nicht daran, dass er an diesem Tag sein erstes Formel-1-Rennen gewinnen könnte. Er weiß: Die Abstimmung seines Autos ist eher auf eine trockene Strecke ausgerichtet. Und am Start lauert Heikki Kovalainen neben ihm. Im starken McLaren. Wahrscheinlich mit mehr Benzin. Mit mehr Ruhm, als Sebastian Vettel an diesem Wochenende schon gesammelt hat, ist nicht zu rechnen. Doch dann entladen die dunklen Wolken ihre Last. Am dritten Tag nacheinander regnet es in Monza. Es regnet so heftig, dass der Automobilweltverband fünf Minuten vor dem Start um 14 Uhr bekannt gibt: Das Rennen beginnt nicht an der Ampel. Es beginnt hinter dem Safety Car. Erst wenn die Rennwagen eine Spur durch die Nässe gezogen haben, wird das Safety Car abbiegen. Sebastian Vettel kommt das zupass. Als Führender darf er bis zur Start-und Ziellinie das Tempo vorgeben, als das Safety Car nach zwei Runden von der Strecke biegt. Und er hat als Einziger freie Sicht. Kovalainen hinter sich zu halten, ist so kein Problem. Zumindest auf den ersten Metern. Aber auch danach bleibt der Rivale erstaunlich schwach. McLaren beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter, Toro Rosso keine 200. Auf der ersten Runde ist Sebastian Vettel zwei Sekunden schneller als Kovalainen, nach der zweiten ist der schon 3,7 Sekunden zurück, nach der fünften sind es 5,2. Sebastian Vettel weiß: Er hat vermutlich weniger Benzin an Bord, als die meisten Gegner. Er muss eine Lücke herausfahren, wenn er mit seinem frühen Tankstopp nicht hoffnungslos zurückfallen will. Also geht er ans Limit. In jeder Runde, in jeder Kurve. In Runde sieben geht er in Kurve fünf sogar ein bisschen darüber hinaus. Er trifft den Randstein, sein Wagen kommt kurz quer. Sebastian Vettel fängt ihn ab. Der Vorsprung? Wächst trotzdem. 6,3 Sekunden ist Sebastian Vettel Kovalainen nach Runde acht voraus, nach Runde neun sind es 6,6. Auch im Vergleich zu den anderen großen Namen sieht es überraschend gut aus. Felipe Massa hat nach zehn Runden zehn Sekunden Rückstand auf den Führenden, Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen sind sogar mehr als 34 Sekunden zurück. Noch gibt es viele Unbekannte: Die Wolken hellen auf. Der Regen könnte aufhören, die Strecke könnte abtrocknen. Mit gewagten Strategien könnten anderen Teams ähnliche Überraschungen glücken wie Toro Rosso am Samstag. Es ist auch ein Glücksspiel. Doch es ist nicht nur ein Glücksspiel. Als Sebastian Vettel in Runde 18 zum Reifenwechseln und Tanken an die Box biegt, verliert er die Führung. Aber er verliert sie nur kurz. Kovalainen und die anderen direkten Verfolger stoppen vier Runden später. Sebastian Vettel schlüpft wieder zurück in Führung. Er ist so konzentriert, dass er nicht einmal an seiner Trinkflasche saugt. Von der Box kommt so gut wie kein Funkspruch. Die Ingenieure können aus den Rundenzeiten lesen: Mehr lässt sich aus dem Auto nicht herausholen. Sie können Sebastian Vettel jetzt nicht helfen. Nur ablenken. Er ist auf sich alleine gestellt.
In Monza im Regen die Balance zu finden, ist ein Drahtseilakt. Weil die Flügel so flach gestellt sind, werden die Autos in den Kurven vom Fahrtwind kaum auf die Straße gedrückt. Sie rutschen besonders leicht. Um Schwung mit auf die langen Geraden zu nehmen, müssen die Fahrer das Gaspedal früh und entschlossen treten. Ohne Traktionskontrolle aber besteht da Schleudergefahr. Bei dem hohen Tempo droht zudem besonders schnell Aquaplaning. Timo Glock im Toyota, Ferrari-Fahrer Felipe Massa, Red-Bull-Lenker Mark Webber – die Liste der Fahrer, die sich Dreher leisten, ist lang in diesem Rennen. Sebastian Vettel leistet sich keinen Dreher. Ob der Regen stärker oder schwächer wird – bei der Frage verlässt er sich nicht auf Signale von der Box. Er hält die Hand aus dem Cockpit, um zu spüren, wie viele Tropfen gegen seine Handschuhe prallen. Ab Runde 28 spürt er: Es werden weniger. Eigentlich ein gutes Zeichen. Nur der Zeitpunkt kann ihm nicht gefallen. Er muss noch einmal tanken. Dabei kann er noch einmal die Reifen wechseln. Und, wenn nötig, Intermediates aufziehen lassen. Noch aber wäre das zu früh. Bis Runde 36 soll er auf
Weitere Kostenlose Bücher