Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
seinen Regenreifen kommen. Die letzten Kilometer dorthin werden zur Zitterpartie. In der trockenen Spur, die sich bildet, wird es den Regenreifen zu heiß. Sebastian Vettel muss Pfützen suchen, um sie zu kühlen. Aber er schafft es. Ab Runde 36 steht er dann vor der umgekehrten Herausforderung: Die Intermediates kleben am besten in dem schmalen, trockenen Streifen, der sich gebildet hat. Schon einen halben Meter daneben kleben sie nicht mehr. »Fahren wie auf Schienen«: So kommt Sebastian Vettel vor, was gefordert ist. Der brüllende Motor im Heck. Die Stille am Funk. Die Konzentration. Es ist eine Trance, in der Sebastian Vettel erst allmählich realisiert, was sich anbahnt: Als alle Fahrer ihren letzten Boxenstopp absolviert haben, bekommt er auf der Start-und Zielgeraden, wenn er am Kommandostand von Toro Rosso vorbeifährt, immer noch das Schild gezeigt, auf dem groß ein Buchstabe und eine Ziffer stehen: »P1« – Position eins. Da realisiert er: »Wenn du jetzt ins Ziel kommst, müsstest du eigentlich gewinnen.« So ist es. Und so kommt es. 53 Runden ohne Dreher. Das Ziel erreicht er 12,5 Sekunden vor Heikki Kovalainen. Der Vorsprung ist so gewaltig, dass auch Laien erkennen: Mit Zufall hat der Sieg wenig zu tun.
Sebastian Vettel, der einstige Klassenclown, die ewige Plaudertasche: Er ist sprachlos. Das Team bricht das Schweigen am Funk. Der Renningenieur vermeldet nüchtern das Ergebnis. Und Sebastian Vettel antwortet ebenso gefasst und bedankt sich. Es ist eine skurrile Konstellation. Während die TV -Kommentatoren auf allen Sendern sich überschlagen angesichts der Sensation, die sie da zu erzählen haben, reden die Protagonisten miteinander, als tauschten sie Telefonnummern aus. Die Wucht des Ereignisses – sie trifft Sebastian Vettel erst auf der Ehrenrunde, als er die Tifosi auf den Tribünen sieht, die aufgesprungen sind, jubeln, ihm zuwinken. Er dreht den Funk noch einmal auf. Und schreit. Zur Siegerehrung geht es auf ein besonderes Podest. Ein Rondell, das über der Start-und Zielgeraden zu schweben scheint, die nach dem Rennen von den Fans gestürmt wird. Oben die glücklichen Fahrer, unten die glücklichen Mechaniker und die ausgelassene Menge. Nirgendwo sonst verdichtet sich die Atmosphäre nach dem Rennen so wie in Monza. »Dass man Menschen durch zwei Stunden Autofahren, so viel Freude bereiten kann«, schießt es Sebastian Vettel durch den Kopf, als er hinunterschaut. Neben ihm steht Gerhard Berger. Der Toro-Rosso-Mitbesitzer hat 20 Jahre zuvor in Monza gewonnen. Für Ferrari. Zurück auf dem Boden, nimmt Gerhard Berger den weinenden Vater Vettel in den Arm und prophezeit: »Er wird noch viel weinen, bei dem Sohn.«
Lockrufe
Der jüngste Grand-Prix-Sieger. Der erste Triumph für das Team. Nach gerade einmal einem Jahr als Stammfahrer in der Rennserie. Die Geschichte ist gut. Richtig gut sogar. »Ein historischer Triumph. Kein Zweifel: Ein neuer Stern ist aufgegangen. Der Junge von Monza. In der Formel 1 gibt es ein neues Märchen«, wird die Gazzetta dello Sport am nächsten Tag schreiben. Tuttosport nennt Sebastian Vettel »das goldene Baby von Monza«. Le Parisien schreibt: »Jeder Getränkehändler würde seinen Ausweis verlangen, bevor er ihm ein Bier ausschenkt, und er darf sich immer noch nicht im Ausland ans Steuer eines Leihwagens setzen. Doch Sebastian Vettel, 21, blonde Locken und jugendliches Lächeln, hat gestern die einschüchterndste Piste der F1 gezähmt: Monza, den Tempel der Geschwindigkeit.« Der Standard aus Österreich erlebt »eine der größeren Sensationen, die die Formel 1 je geliefert hat«. Die Vanity Fair ruft ihn als »Held von Heppenheim« aus. Die Bild-Zeitung druckt zwei Sonderseiten zu dem Sieg, und Kolumnist Franz Josef Wagner gratuliert: »Für mich ist Sebastians Sieg die Aufforderung zu träumen. Träume sind am Anfang Illusion, aber sie sind auch Hoffnung. Aus Sebastians Traum wurde Realität. Nun beginnt das Traumspiel von vorne. Tausende Kinder werden ihre Zimmer mit Sebastian-Postern vollkleben und träumen, Helden zu werden. Sebastian hat es geschafft. Seine Geschichte ist kurz erzählt. Ein kleiner Junge hatte ein Poster und einen Traum.«
Selbst die Gegner sind angetan. »Eine tolle Leistung«, lobt McLaren-Teamchef Ron Dennis. Mercedes-Sportchef Norbert Haug sieht »einen Typ, der Schritt für Schritt geht. Der nichts ankündigt, sondern einfach macht.« BMW -Sportdirektor Mario Theissen richtet aus: »Unglaublich, souverän, fehlerfrei. Hut
Weitere Kostenlose Bücher