Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Fußballstadion sollen sie den Kurs erstrahlen lassen. Ob das funktioniert? Ob die Lampen blenden? Was passiert, wenn Regen fällt? Der Ausflug ist ziemlich spannend. Auch, weil nachts trainiert wird und die Fahrer deshalb erst gar nicht versuchen, den Jetlag zu überwinden. Nico Rosberg geht um halb drei in der Nacht in seinem Hotel ins Fitness-Studio – was die Putzfrauen doch sehr wundert. Felipe Massa inspiziert um drei Uhr in der Früh die beleuchtete Strecke. Bei Williams sind die letzten Meetings bis fünf Uhr morgens angesetzt. Honda hat zur Einstimmung auf die Premiere ein Seminar mit Testfahrer Alexander Wurz angesetzt, bei dem er über seine Erfahrungen mit dem Rennfahren in der Nacht beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans berichtet. Nick Heidfeld hat ein spezielles Visier dabei, das verhindern soll, dass ihn die Blitzlichter der 100000 Zuschauer blenden, die dicht an der Strecke sitzen werden. Kimi Räikkönen hat eines, das sich auf 30 Grad erhitzen lässt; das soll ein Beschlagen verhindern, falls es regnet. Renault-Teamchef Flavio Briatore rückt zum ersten Training mit einer Stirnlampe im schütteren Haar an den Kommandostand aus. Die Toyota-Mechaniker haben eine besondere Tafel gebastelt, mit der sie ihren Fahrern die Rundenzeiten zeigen: Sie trägt kleine Neonröhren. BMW hat allen Teammitgliedern eine Werbebotschaft aus einem besonderen Stoff auf die Kleidung gebügelt: Unter ultraviolettem Licht fluoresziert sie. Es ist ein Start ins Ungewisse, dem Sebastian Vettel nach der Aufregung um seinen ersten Sieg zwei Wochen zuvor aber demonstrativ gelassen begegnet. Wie er den Ausflug in die Dunkelheit angeht? »Man geht halt spät ins Bett und macht beim Fahren das Licht an.« Was ihm sein Teamkollege Sébastien Bourdais geraten hat, der in den USA schon öfter ein Champ Car unter künstlichem Licht bewegte? »Augen aufhalten.« Der Erfolg hat Sebastian Vettel offensichtlich nicht nachhaltig verändert. Unerwartete Formel-1-Sieger haben oft kuriose oder rührende Geschichten geschrieben. Jenson Button, der im Jahr 2006 in Ungarn bei einem chaotischen Grand Prix seinen ersten Sieg feierte, musste nach dem unerwarteten Ereignis gleich ins Flugzeug steigen: Die PR -Abteilung hatte einen Termin für ihn in Asien ausgeheckt, der sich nicht mehr verschieben ließ. Rubens Barrichello war im Jahr 2000 in Hockenheim so überwältigt, als er sieben Jahre nach seinem Debüt zum ersten Mal auf die höchste Stufe des Siegertreppchens durfte, dass er bitterlich zu weinen begann. Bei Sebastian Vettel ist es anders. Bei ihm drängt sich der Eindruck auf, dass alle anderen in seinem Coup in Monza viel mehr sehen als er selbst. Das Toro-Rosso-Team hat in Singapur die grau lackierten Stellwände am schmalen Zugang zur Garage mit großen Fotos vom letzten Rennen dekoriert. Auf ihnen sind ziemlich viele, ziemlich glückliche Menschen zu sehen. Männer, die jubeln. Manche weinen auch vor Freude. Wegen Sebastian Vettel. Die Times hat ihn als »die nächste große Formel-1-Nummer« ausgerufen. Das Fachblatt Autosport , das sich selbst unbescheiden »The Authority on Formula One« nennt, hat ihn zum »Wunderkind« erhoben. Und zum Coverboy. Nach Weinen vor Glück, großer Nummer und Wunderkind aber klingt nicht, was Sebastian Vettel zur Einstimmung in Singapur sagt. Was es bedeutet, dass er in den zurückliegenden drei Rennen mehr Punkte gewonnen hat als – nach Ferrari-Fahrer Felipe Massa – jeder andere? »Nichts«, findet Sebastian Vettel, »Weltmeister kann ich in diesem Jahr ja nicht mehr werden.« Ob er seine Entscheidung, für wen er im kommenden Jahr antrete, nicht noch einmal überdenken solle, jetzt, da das kleine Red-Bull-Team einen Punkt mehr auf dem Konto hat als das große? »Nein«, widerspricht Sebastian Vettel, »es ist schon lange bekannt, wo ich im kommenden Jahr antreten werde. Also müssen wir darüber gar nicht lange reden.« Was sein Ziel in den verbleibenden vier Rennen sei? »Das Beste, was möglich ist, herauszuholen«, sagt Sebastian Vettel, »das kann auch mal ein achter oder ein fünfter Platz sein. Es sieht nur blöd aus, wenn man danach den Champagner auspackt und herumspritzt.« Der ungewöhnliche Singapur-Grand Prix als Rückkehr in die Normalität. So ist es gedacht.
Wunderliches
Ob Nacht oder Tag. Im ersten Training dominieren in Singapur die gewohnten Kräfte. Die McLaren-Fahrer Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen und die Ferrari-Piloten Felipe Massa und Kimi Räikkönen eilen voraus.
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