Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Seite. Er sieht das Unglück kommen, hat aber keine Chance mehr auszuweichen. Mit Wucht prallt er gegen die Bullenfänger des Autos. Schien-und Wadenbein bersten und schieben sich durch die Haut. Webber muss gar nicht selbst sehen, dass es kein schöner Anblick ist. Ihm reicht schon, wie die Helfer reagieren. 90 Minuten nach dem Crash liegt er auf dem Operationstisch. Nach zwei Tagen lässt er den Gips vom lädierten Bein nehmen. Nach fünf Tagen verlässt er das Krankenhaus. Keine drei Wochen nach dem Unfall sitzt er schon wieder auf dem Hometrainer. Das Laufen lernt er in einem Schwimmbad und auf einem Trampolin wieder. Nach fünf Wochen ist das Bein stabil genug, um die Stützschuhe abzustreifen. Die Aerodynamik-Regeln in der Formel 1 ändern sich für 2009 drastisch. Das kommt Red Bull entgegen. Unter solchen Vorzeichen haben die von Adrian Newey entworfenen Autos schon häufig geglänzt. 2009 könnte seine große Chance sein, um den Titel zu kämpfen: Mark Webber will sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Er ist so entschlossen, dass er dem Team sogar verheimlicht, dass nicht nur sein rechtes Bein einiges abbekommen hat, sondern auch seine Schulter. Erst am 11. Februar kann er zum ersten Mal wieder in ein Formel-1-Auto klettern. Die Angst, die Fliehkräfte könnten zu stark sein, ist groß. Aber es geht alles gut. Das Bein übersteht 83 Runden in Jerez.
Attacke
Für Sebastian Vettel bedeutet der Unfall des Teamkollegen eine Chance: Er kommt an allen vier Testtagen zum Einsatz, die nach dem Ende der Saison 2008 noch anstehen. So wächst er schnell in die neue Umgebung hinein. Und die neuen Helfer lernen ihn früh gut kennen. Es ist ein unkomplizierter Start. Mehr noch: Es hat den Anschein, als komme da zusammen, was sich schon lange gesucht hat. Sebastian Vettel kennt die Red-Bull-Fabrik in Milton Keynes seit Jahren. Kurz nachdem er seinen Führerschein erworben hatte, war er auf eigene Faust dorthin gereist. Hatte sich einen Mietwagen genommen, sich durch den Linksverkehr gekämpft, bei Teamchef Christian Horner geklingelt, sich als Red-Bull-Junior vorgestellt und gefragt, ob er eine Tour haben könne. Eine Anekdote, die nicht nur bei Horner Eindruck hinterlassen hat. Sebastian Vettel weiß außerdem genau, was er will. Welche Dämpfer, welche Federn, welche Bremsscheiben – Formel-1-Autos lassen sich in vielen Details verändern. Und an vielen ist zu erkennen: Da setzt einer auf Angriff. Oder auf Vorsicht. Sebastian Vettel setzt bei Red Bull von Anfang an auf Attacke. Und nicht nur das. Bei den meisten Änderungen, die er anregt, zeigt sich anschließend ein Effekt auf der Stoppuhr: Es geht vorwärts. Das lässt den Respekt wachsen. Sebastian Vettel hat die Erfahrung schon einmal gemacht, wie gut der Erfolg dem Renommee tut: Nach dem Sieg in Monza hatte seine Stimme bei Toro Rosso plötzlich wesentlich mehr Gewicht, auch wenn er sie nicht lauter erhob als zuvor. Dass er plötzlich wesentlich mehr Leuten etwas zu sagen hat, schreckt ihn nicht. »Letztlich geht es überall immer darum, dass am Ende viele Leute miteinander harmonieren müssen. In einem kleinen Team ist der Einfluss, den man als Fahrer darauf hat, vielleicht ein bisschen größer. In einem großen Team hat man es dafür vielleicht ein bisschen leichter, weil die Abläufe klar geregelt und gut eingespielt sind« – so sieht er das. Was ihm zudem hilft: seine lockere Art. Bei allem Ernst, bei allem Druck, bei allem Vorwärtsstreben – verkrampft geht es nicht zu. Schon bei seinem ersten Test für Red Bull hat er angedeutet, dass er den Humor kennt, der in England gepflegt wird. Auf dem Weg an die Box ließ er seine Crew wissen: »I need to get out of the car for a Pat Cash.« – Ich muss für einen Pat Cash ganz schnell raus aus dem Auto. Seit der australische Tennisprofi in Wimbledon einst in einer entscheidenden Phase kurz verschwand, ist das in London ein Synonym für Pinkelpause.
Billig ist schnell
Zu testen gibt es vor der Saison 2009 viel. Das Reglement hat sich drastisch geändert. Es soll mehr Überholmanöver geben. Aus diesem Grund wachsen die Frontflügel auf die Breite der Vorderreifen, der Heckflügel dagegen wird viel schmaler und höher. Diese Änderung soll dafür sorgen, dass die Wirbel hinter den Autos geringer werden, die Piloten deshalb dichter aufschließen können. Wer will, darf außerdem mit Kers an den Start gehen, den Zusatz- PS , die das BremsenergieRückgewinnungssystem bringt. Mit dieser Technik soll eine
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