Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
grüßen kann. In Suzuka und beim Abschlussrennen in Abu Dhabi, vor dem die WM -Entscheidung bereits gefallen ist, läuft es ähnlich. Die Ausschläge sind extrem. Zu extrem, um das große Ziel – der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte – schon im ersten Anlauf zu erreichen. Michael Schumacher versucht, Trost zu spenden. Er rät Sebastian Vettel aus der Ferne: Nicht lange grämen! Er habe Tolles geleistet. Seine Zeit komme schon noch. Auch 2010 hat Sebastian Vettel schließlich noch die Chance, zum jüngsten Champion aufzusteigen. »Unterm Strich waren wir nicht konstant genug. Wir haben zu viele Fehler gemacht. Einige davon ich, einige das Team. Das sind die Dinge, die man lernen muss, wenn man auf dem Weg nach oben ist«, analysiert Sebastian Vettel nüchtern, als sich die Enttäuschung gelegt hat. Er war zu ungestüm, wollte oft zu viel. Der Vergleich mit Webber zeigt das. Lange bremste den noch sein lädiertes Bein. In der Qualifikation hatte er meist keine Chance gegen Sebastian Vettel. Nach dem elften Rennen in Valencia lag der Australier im direkten Qualifikations-Vergleich 1:10 hinten, in der WM -Wertung aber mit 51,5 zu 47 Punkten vor Sebastian Vettel. Den Dingen auf den Grund zu gehen, auch wenn es mühsam ist und vielleicht Unangenehmes zutage fördert. Nichts als gegeben zu betrachten, als unveränderbar hinzunehmen – das gilt als selbstverständlich. Deshalb ist der Schock so groß, wenn dann doch etwas Schicksalhaftes passiert.
Schicksalhafte Begegnungen
Am 19. Juli 2009 passiert Schicksalhaftes. Nicht in der Formel 1. Bei einem Rennen der Nachwuchskategorie Formel 2 in Brands Hatch. Henry John Surtees stirbt, der 18 Jahre alte Sohn von John Surtees, dem einzigen Fahrer, dem es gelang, die Motorrad- WM und die Formel 1 zu gewinnen. Henry Surtees wird erschlagen. Ein Rad, das bei einem Unfall am Rennwagen eines Rivalen abriss, trifft ihn am Kopf. Das Teil wiegt rund 30 Kilogramm. Surtees hatte keine Chance. Schon bewusstlos, verharrt sein Fuß auf dem Gaspedal. Der Motor heult noch, als sein Auto in die Streckenbegrenzung schlägt. Das Unglück ist auch in der Formel 1 ein Thema, die sich vier Tage später zum Großen Preis von Ungarn am Hungaroring bei Budapest versammelt. Am Freitagabend sprechen die Mitglieder der Grand Prix Drivers’ Association darüber, wie die Sicherheit im Cockpit verbessert werden kann. Sie können nicht ahnen, wie akut das Thema über das Wochenende noch wird. Dass Fahrern aufgewirbelte Steinchen gegen den Helm oder die Handschuhe prasseln, kommt vor. Aber wirklich Gefährliches kreuzt selten ihre Bahn. Dass nur wenige Tage nach Henry Surtees auch einem von ihnen etwas Bedrohliches gegen den Kopf fliegt, ist äußerst unwahrscheinlich. Genau das aber passiert. Am Samstagnachmittag erwischt es Felipe Massa. Der zweite Qualifikationsdurchgang geht in die entscheidende Phase, als der Ferrari des Brasilianers in Kurve Nummer vier, einem Linksknick, vor dem die Autos so schnell werden wie sonst nur noch einmal auf der 4,381 Kilometer langen Schleife, geradeaus schießt und sich frontal in die vierlagige Reifenbarriere bohrt. Der Motor heult noch eine Weile. Aber es gibt auch Bremsspuren. Massa ist bewusstlos und steht auf Gas und Bremse gleichzeitig. Erst auf den Zeitlupenbildern ist der Unfallgrund zu erkennen. Als Massa mit 259,4 km/h die Gerade entlangschießt, taucht von schräg links vorne ein Gegenstand auf. Ungefähr so groß wie eine Kaffeetasse. Er springt in Massas Blickfeld und trifft ihn, links am Helm, dort, wo das Visier befestigt ist. Bei dem Gegenstand handelt es sich um eine Metallfeder, 833 Gramm schwer. Das letzte Auto hat viereinhalb Sekunden vor Massa die Stelle passiert. Der Brawn GP von Rubens Barrichello. Er verlor die Feder, die fünf oder sechs Mal aufspringt, genau auf der Ideallinie – und sich genau in dem Moment in einer kritischen Höhe befindet, als Massa heranschießt. Der hat im Unglück noch Glück: Die Stelle, an der das Geschoss einschlägt, gehört zu den stabileren an seinem Helm. 18 Lagen Kohlefaser sind dort fast vier Millimeter dick übereinandergeschichtet und mit einem darunter liegenden Spezialschaum verklebt. Die Wucht des Aufpralls reißt das Visier an der linken Seite aus der Titan-Verschraubung. Ein paar Zentimeter tiefer und weiter rechts und die Feder wäre auf das längst nicht so widerstandsfähige Polycarbonat des Visiers getroffen. Dann hätte Massa vermutlich keine Überlebenschance gehabt.
So zertrümmert
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