Polgara die Zauberin
die Tolnedrer angreifen – entweder jeder für sich oder gemeinsam in einer hastig geschmiedeten Allianz. Das ist Ctuchiks Endziel – Krieg zwischen Arendien und Tolnedra.«
»Welch abscheuliche Vorstellung!« rief er aus. »Kein Bündnis zwischen Corrolin, Oldoran und mir wäre jemals fest genug, um gegen die tolnedrischen Legionen bestehen zu können! Wir würden überrannt werden!«
»Exakt. Und falls Tolnedra Arendien erobert und anschließend annektiert, würden die Alorner sich bemüßigt sehen, ihre Interessen zu wahren. Alle Königreiche des Westens könnten in den Konflikt hineingezogen werden.« An dieser Stelle kam mir eine Idee. »Ich glaube, ich sollte Vater den Vorschlag unterbreiten, er solle nach Alorien gehen und dort nach dem Rechten sehen. Wenn Ctuchik hier im Süden Unfrieden stiftet, besteht die Möglichkeit, daß er es im Norden ebenso tut. Wir brauchen ganz bestimmt keinen weiteren Ausbruch von Klanfehden in den alornischen Königreichen. Wenn hier im Westen jeder gegen jeden kämpft, steht die Tür einladend offen für eine Invasion aus Mallorea!«
»Ich möchte Euch um nichts in der Welt erzürnen, Lady Polgara, aber Haldon besitzt Dokumente, welche Siegel und Unterschrift Ran Vordues tragen.«
»Das kaiserliche Siegel ist nicht sonderlich schwer zu fälschen, Euer Gnaden. Ich könnte Euch hier an Ort und Stelle eines anfertigen, wenn Ihr es wünscht«
»Ihr seid überaus bewandert in der trügerischen Welt der Staatskunst, Lady Polgara.«
»Ich durfte einige Erfahrungen sammeln, Euer Gnaden.« Ich überlegte einen Moment. »Wenn wir es geschickt anstellen, sollten wir in der Lage sein, Ctuchiks Komplott zu unserem Vorteil zu wenden. Ich möchte Euch nicht beleidigen, aber es scheint in der arendischen Natur zu liegen, einen Feind zu brauchen. Wollen wir doch einmal überlegen, ob wir dieser Feindschaft nicht eine neue Richtung geben können. Wäre es nicht netter, Murgos zu hassen anstatt die eigenen Landsleute?«
»Wesentlich netter, Mylady. Ich habe einige Murgos kennengelernt, und darunter war kein einziger, den ich gemocht hätte. Sie sind eine höchst unliebenswerte Rasse, will es mir scheinen.«
»Das sind sie in der Tat, Euer Gnaden, und ihr Gott ist noch viel schlimmer.«
»Plant Torak unmittelbare Aktionen gegen den Westen?«
»Ich bezweifle, daß Torak selbst weiß, was er plant, Euer Gnaden.«
»Ich bitte Euch, Lady Polgara, meine Freunde nennen mich Kathandrion. Die lebenswichtige Nachricht, die Ihr mir soeben übermittelt habt, hat Euch ganz gewiß zu einer Freundin gemacht.«
»Wie es Euch gefällt, Lord Kathandrion«, versetzte ich mit einem höflichen angedeuteten Knicks.
Er verneigte sich daraufhin, und dann lachte er. »Wir verstehen uns gut, nicht wahr, Polgara?« gab er mir zu verstehen.
»Das dachte ich gerade selbst«, stimmte ich ihm zu, ein wenig verdutzt angesichts des Abgleitens des Herzogs in das, was ich unter ›normaler Redeweise‹ verstehe. Während wir uns näher kennenlernten, kam Kathandrion mehr und mehr von jenem ›hohen Stil‹ ab, was ich für ein Anzeichen beträchtlicher Intelligenz hielt. Kathandrion konnte – und er tat es auch häufig – seine Zuhörer mit seiner blumigen Sprache fast bis zur Bewußtlosigkeit benebeln, aber hinter all diesen ›fürwahrs‹ und ›mich dünkets‹ verbarg sich ein wacher Geist. Wenn er sich entschied, normal zu reden, war sein Ton oft auf humorvolle Weise selbstkritisch, und seine Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, höchst unarendisch. »Wir sollten uns wohl besser kennenlernen, Kathandrion«, sagte ich ihm. »Ich habe den Verdacht, daß wir einen langen Weg gemeinsam zu gehen haben.«
»Ich vermag mir keine angenehmere Begleitung vorzustellen, werteste Dame.« Er kehrte wieder zum ›hohen Stil‹ zurück, und dieser abrupte Wechsel enthielt ebenfalls ein verschmitztes Lächeln. Das war ein sehr komplizierter Mann. Dann seufzte er eine Spur zu theatralisch.
»Warum solch ein tiefer Seufzer, Freund Kathandrion?«
»Sollte die Wahrheit bekannt werden, habt Ihr mir Grund gegeben, meine Abdankung zu erwägen, Polgara«, lamentierte er. »Frieden und Stille eines Klosters winken mir höchst verlockend zu. Ist die internationale Politik immer so schmutzig?«
»Für gewöhnlich. Manchmal sogar noch schlimmer.«
»Ich frage mich, ob sie mich wohl zwingen würden, mir den Kopf kahl zu scheren«, sinnierte er, während er sich eine Locke seines langen braunen Haars um den Finger wickelte und sie versonnen
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