Polgara die Zauberin
Aldurford hereinschaute. Ich war ein bißchen kurz angebunden mit ihm, als er endlich ankam. Für mich sah es so aus, als amüsiere sich meine ganze Familie köstlich damit, mich über alles im dunkeln zu lassen.
Es hatte vorübergehend aufgeklart, und der Himmel war strahlend blau, als Vater und ich zum Fluß hinuntergingen und weiter am letzten Haus von Aldurford vorbei. Die Sonne schien sehr hell, und eine leichte Brise kräuselte die Wasseroberfläche. »Ich hoffe, du hast deinen Spaß gehabt, Vater«, begann ich. »Ich muß zugeben, daß ich dich ein wenig beneidet habe.«
»Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Die Sonnenfinsternis ist jetzt zwei Jahre her, alter Mann«, beschwerte ich mich. »Ich wußte nicht wie weit unten ich auf deiner Dringlichkeitsliste stehe.«
»Reg dich nicht auf, Pol«, riet er mir. »Du verstehst es, unverzüglich zu handeln. Andere Leute brauchen ein bißchen länger. Ich wollte sie erst auf Reisen schicken, bevor ich hierherkam. Ich habe dich nicht absichtlich warten lassen.«
Ich überlegte hin und her und versuchte, etwas Falsches an seinen Worten zu finden. Dann ließ ich diesen Punkt fallen. »Die Zwillinge haben mich gebeten, dir etwas auszurichten.«
»So?«
»Brand wird derjenige sein, der sich Torak entgegenstellt, wenn die Dinge in Arendien sich zuspitzen.«
»Brand?«
»So steht es jedenfalls im Mrin.« Dann zitierte ich die rätselhafte Passage für ihn.
»Das ist doch lächerlich!« schäumte er. »Brand kann Rivas Schwert nicht anfassen. Der Orb würde es nicht zulassen. Gib mir deine Hand, Pol. Du und ich müssen mit den Zwillingen sprechen. Ich möchte ein paar Dinge klargestellt haben, und meiner Meinung nach solltest du es auch hören.« Vater weigert sich starrköpfig zuzugeben, daß ich mich besser als er über große Entfernungen unterhalten kann. Manchmal benimmt er sich wirklich wie ein kleiner Junge.
Die Zwillinge hatten eine Menge Schwierigkeiten mit dem Mrin. Deshalb konnten sie uns im Augenblick nichts Besseres anbieten, als uns eine Art flüchtiger Zusammenfassung dessen zu geben, was wir tun sollten.
»Völlig undenkbar!« entgegnete ich, als Beltira mir auftrug, Garel und Adana in die Feste zu bringen. »Ich würde sie ja Torak direkt in die Arme treiben, falls er es auf Arendien abgesehen hat«
»Ich gebe nur weiter, was der Mrin sagt Pol«, erklärte Beltira. »Die Feste wird nicht an Torak fallen. In diesem Punkt drückt der Mrin sich unmißverständlich aus. Es wird zu einer Belagerung kommen, doch sie wird ihr Ziel nicht erreichen.«
»Es gefällt mir trotzdem nicht«
»Es wird alles gut gehen, Pol«, beruhigte mich Vater. Er sprach laut zu mir. »Wir beide haben Aufgaben zu erfüllen. Wir müssen nach Riva gehen, aber Garel dürfen wir nicht mit zur Insel der Winde nehmen. Wenn er dem Orb so nahe kommt, wird er aufleuchten wie eine neugeborene Sonne, und jeder Stern auf dieser Seite des Universums wird anfangen, wie eine Glocke zu läuten. Dann wird sich dieses Schwert in seine Hand schmiegen, als sei es angewachsen. Er ist aber nicht derjenige, der es benutzen soll, und deshalb müssen wir sie voneinander fernhalten.« Dann schickte er seinen Gedanken wieder zu den Zwillingen. »Habt ihr etwas von Beldin gehört?« fragte er sie.
»Vor wenigen Tagen«, antwortete Belkira. »Torak hält sich noch in Mal Zeth auf, und er hat Urvon und Zedar bei sich.«
»Dann bleibt uns noch ein wenig Zeit. Sie können nicht über Nacht durch ganz Mallorea marschieren.«
»Warten wir's ab.« Belkira klang nicht annähernd so optimistisch wie Vater.
Vater und ich kehrten in unser Haus zurück, und ich wies Adana an, eine dieser FamiliärerNotfallGeschichten in Aldurford in Umlauf zu bringen. Dann brachen wir zur Feste auf.
Es regnete nahezu ununterbrochen, während wir weiter über die durchnäßten Ebenen Algariens zu jenem von Menschenhand gebauten Berg ritten, der sich über dem Grasland gen Himmel reckte. Ich bin mir sicher, daß der ganze Regen gut fürs Gras war, aber das war mir ziemlich gleichgültig.
Die Algarer haben Äonen auf die Errichtung ihrer Feste verwandt, und das sieht man auch. Die Mauern sind unglaublich dick und so hoch, daß der Ort einem Berg gleicht. Die Leute werfen stets mit dem Begriff ›uneinnehmbar‹ um sich, ohne sich große Gedanken darüber zu machen, was es wirklich bedeutet. Falls euch etwas an sprachlicher Präzision liegt, unternehmt einen Abstecher nach Südalgarien und werft einen Blick auf die Feste. Danach wißt
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