Polgara die Zauberin
sie herunterfallen. Die Segel hingen einen kurzen Moment schlaff herab. Dann erfaßte sie eine Brise, und sie blähten sich mit knallendem Geräusch auf.
Das Schiff legte sich leicht auf die Seite, und dann begann es vorwärtszuschießen. Gischt spritzte auf, als der Bug durch die Wellen schnitt, und der Fahrtwind blies mir ins Gesicht und peitschte mein Haar. Die Wellen waren nicht hoch genug, um Angst einzuflößen, und Rivas Schiff schob sich jede Welle gemessen hinan, um auf der anderen Seite majestätisch herunterzugleiten.
Wie ich es genoß!
Das Schiff und das Meer wurden eins, und diese Vereinigung hatte ihre Musik, eine Musik aus ächzenden Planken, knarzenden Tauen und knallenden Segeln. Seewärts glitten wir über die sonnengekrönten Wellen, und die Musik des Meeres füllte unsere Ohren.
Ich habe des öfteren leicht abfällige Bemerkungen über die Alorner und ihre Leidenschaft für die See fallen lassen, aber sie hat etwas Heiliges an sich – beinah so, als hätten wahre Seeleute einen anderen Gott. Sie lieben die See nicht nur; sie verehren sie, und in meinem Herzen weiß ich, warum.
»Ich kann das Land nicht mehr sehen!« rief Beldaran an jenem Abend aus, wobei sie besorgt zum Heck hinüberschaute.
»Das solltest du auch nicht, Geliebte«, sagte Riva zärtlich zu ihr. »Wir würden nie nach Hause kommen, wenn wir versuchten, den ganzen Weg hinüber zur Insel in Sichtweite der sendarischen Küste zu bleiben.«
Der Sonnenuntergang über dem Meer vor uns war grandios, und als der Mond aufstieg, warf er eine glitzernde Straße über die glänzende Oberfläche der nachtdunklen See.
Hingerissen von all der Schönheit um mich herum, ließ ich mich auf einem Faß nieder, kreuzte die Arme auf der Reling und legte das Kinn darauf, um das Meer mit allen Sinnen in mir aufzunehmen. Die ganze Nacht verbrachte ich in dieser Verträumtheit, und die See umfing mich als Teil ihrer selbst. Meine Kindheit war nicht unbeschwert gewesen, belastet mit Groll und einem schmerzhaften, fast alles andere abtötenden Gefühl meiner eigenen Unzulänglichkeit. Die See besänftigte diese sorgenvollen Empfindungen mit ihrer heiteren Grenzenlosigkeit. Spielte es wirklich eine Rolle, ob ein kleines Mädchen mit aufgeschürften Knien schmollte, weil die Welt ihr nicht jedesmal huldigte, wenn sie vorbeiging? Die See schien nicht dieser Meinung zu sein, und je mehr Stunden vergingen, desto bedeutungsloser erschien es auch mir.
Am Horizont jenseits des Achterdecks kündete ein fahler Lichtschimmer den neuen Morgen an. Die Welt schien von einer grauen, schattenlosen Luminiszenz erfüllt, und das dunkle Wasser wurde zu geschmolzenem Silber. Als die Sonne, rötlich durch den Meeresdunst, über den östlichen Horizont stieg, erfüllte sie mein Herz mit solch ehrfürchtigem Staunen, wie ich es nie zuvor empfunden hatte.
Doch die See war noch nicht fertig mit mir. Ihr Antlitz war wie geschmolzenes Glas, und dann wallte etwas Gewaltiges aus der Tiefe empor, ohne die Oberfläche allerdings zu durchbrechen. Die Woge, die daraus entstand, blieb unberührt von Gischt oder unbedeutenden kleinen Spritzern. Für diese Art von kindischer Darbietung war sie viel zu tief. Ich verspürte plötzlich einen Stich abergläubischen Schreckens. In der Mythologie der Welt wimmelte es gleichsam von Seeungeheuern, und Beltira und Belkira hatten Beldaran und mich mit entsprechenden Geschichten, meist alornischen Ursprungs, unterhalten als wir noch sehr klein gewesen waren. Kein seefahrendes Volk wird je die Gelegenheit verstreichen lassen, über Seeungeheuer zu schwadronieren.
»Was ist das?« fragte ich einen schläfrig dreinblickenden Seemann, der soeben an Deck gekommen war, und zeigte auf die Turbulenz im Wasser.
Er blinzelte über die Reling. »Oh«, antwortete er beiläufig, »das sind Wale, Mylady.«
»Wale?«
»Große Fische, Mylady.« Er blinzelte erneut ins Meer.
»Es ist die Jahreszeit, in der sie Herden bilden. Ich schätze, da unten sind eine ganze Menge von ihnen.«
»Wallt deshalb das Wasser so auf – weil es so viele sind?«
»Nein, Mylady. Ein Wal ganz allein macht so hohe Wellen.«
Ich war sicher, er übertrieb, doch dann brach eine riesenhafte schwarze Gestalt durchs Wasser wie ein Berg, der sich aufwarf. Ich konnte nicht glauben, was ich mit eigenen Augen sah! Kein Lebewesen konnte so groß sein!
Dann fiel er krachend wieder ins Meer zurück, ließ gewaltige Wassermassen nach allen Seiten hochspritzen, schlug mit einem weiteren gewaltigen Krach
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