Polgara die Zauberin
einem Staubwölkchen verpuffen, war Torak recht gleichgültig, oder? Du hast die Liebe eines Gottes für die Gleichgültigkeit eines anderen aufgegeben. Eine schlechte Wahl, alter Knabe.«
Da zog ein Ausdruck unendlichen Bedauerns über sein Gesicht, begleitet von grenzenloser Hoffnungslosigkeit. Es war so unverhüllt, daß ich mich beinahe schämte.
»Ich bin ja so froh, daß wir drei Gelegenheit zu diesem kleinen Schwätzchen hatten«, ließ ich sie zum Abschluß wissen. »Ich hoffe, das hat die Luft gereinigt. Jetzt wißt ihr beide ganz genau, was ich euch antun werde, wenn ihr euch weiterhin in Angelegenheiten mischt, die euch wirklich nichts angehen. Hört auf mich, meine edlen Freunde, denn solltet Ihr auf Eurem verderblichen Weg beharren, wird unsere nächste Begegnung höchst unangenehm sein.«
Mir war einfach danach. Es hatte so etwas berückend Archaisches. Offensichtlich hat mein Vater mehr auf mich abgefärbt, als man meinen möchte, denn auch ich verspüre oft diesen überwältigenden Drang zur Melodramatik. Eine Art Erbkrankheit, vermute ich.
Dann verließ ich Sthiss Tor, kehrte jedoch nicht umgehend nach Annath zurück. Ich verbrachte mehrere Wochen hoch oben in den sendarischen Bergen und sann über jene plötzliche Offenbarung nach, die mich in Salmissras Thronsaal überkommen hatte. Ich wußte, daß Zedar derjenige war, der Eriond finden würde, obwohl ich zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal Erionds Namen kannte. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr roch es für mich nach ›Einmischung‹. Es gab allerdings einen Unterschied. Wenn Mutter sich einmischt, fühlt sich das anders an – oder ›riecht‹ anders, wenn ihr so wollt –, als wenn UL oder die Notwendigkeit sich einmischen. Diesmal fühlte es sich ganz anders an. Ich kannte die Hand, die dahintersteckte, nicht, und das machte mich ein klein wenig ärgerlich. Offenkundig hatte ein neuer Spieler am Tisch Platz genommen. Jetzt kenne ich ihn selbstverständlich. Nun ja, das sollte ich wohl auch, da ich den neuen Spieler von Kindesbeinen an in eben dieser Hütte aufgezogen habe.
Ich denke, ich sollte dieser Tage einmal mit Eriond darüber sprechen. Ich glaube, ich möchte wirklich wissen, was es mit diesen kleinen Heimsuchungen auf sich hatte. Wenn es einen Grund dafür gab, kann ich mich damit abfinden. Aber wenn es nur aus Spaß war, dann werde ich jemandem gehörig die Meinung sagen!
Außerdem war ich sehr unglücklich mit dem, was ich, wie sich immer deutlicher abzeichnete, Salmissra würde antun müssen. Sie und ich wußten beide, daß es passieren würde, aber offenbar hatte jemand sie davon überzeugt, daß es mir letztendlich nicht gelingen würde. Mein einziger Trost liegt darin, daß sie sich mittlerweile daran gewöhnt hat und nicht mehr richtig unglücklich darüber ist. Und außerdem ist Nyissa mit ihr in ihrer derzeitigen Gestalt auf dem Thron wesentlich besser dran.
Ganz gleich, wie ich es drehte und wendete, ich konnte nichts tun, um das zu verhindern, was bereits vorherbestimmt war. Schließlich gab ich es auf und kehrte nach Annath zurück.
Nachdem der Winter vorüber war, packte Vater erneut die Wanderlust. Er verließ uns und zog wieder hinaus, um sich die weite Welt anzusehen. Ich hätte ihm sagen können, daß sie noch immer da war, aber er mußte sich wohl mit eigenen Augen davon überzeugen.
Ich ging hinüber nach Algarien und knüpfte Beziehungen zu dem Klan, in dem Ildera, das Mädchen, das Geran heiraten würde, zur Welt gekommen war. Ich führte ein Gespräch unter vier Augen mit ihrem Vater, dem Klanhäuptling, und gegen Mittsommer trieb der Klan seine Herden herüber nach Sendarien und errichtete ein mehr oder weniger dauerhaftes Lager in der Nähe der Grenze zu Annath. Das Wort ›Grenze‹ besagt hier oben allerdings nicht viel. Wenn ihr euch umschaut und Bäume seht, seid ihr in Sendarien, wenn ihr Gras seht, in Algarien. Natürlich gab es einen lebhaften Verkehr über diese eher theoretische Grenze, und eines Tages traf der neunjährige Geran die siebenjährige Ildera. Ich war nicht zugegen, hörte die Glocke aber trotzdem läuten. Alles verlief nach Plan.
Als Geran etwa zwölf war, nahm sein Vater ihn in den Steinbruch mit, um seine Ausbildung als Steinhauer in Angriff zu nehmen. Zunächst bekam er die unvermeidlichen Blasen, Muskelschmerzen und Zerrungen, doch mit der Zeit härteten sich seine Muskeln, und er wurde geschickter in der Ausübung des Familiengewerbes.
Das Leben in Annath verlief
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