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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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des Triebverhaltens, Leitstelle für Emotionen) und seinem präfrontalen Cortex (Zentrum der Erregungs- und Affektkontrolle, in dem langfristige Zielorientierungen die animalischen Impulse regulieren) tobt. Anders gesagt: In Stranzers Schädel liegen sich der kleine jähzornige Tilman und der große gierige Herr Doktor in den Haaren. Hier die rasche Triebabfuhr, dort hunderttausend Euro jährlich …
    «Halb so schlimm», presst Stranzer zwischen den Zähnen hervor. «Ich werde mir eben ein neues besorgen.»
    Er ist schon ein Mann von Welt, der Herr Europaabgeordnete.

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    Teil 3
    Herrnbaumgarten
    18
    Im Schutz von Stranzers Diplomatenpass hat sie der Flughafen in Schwechat wie ein unhörbares Lüftchen durch die Hintertür des VIP-Terminals direkt in Stranzers Dienstwagen gefächelt. Nun gleiten sie auf der Autobahn in Richtung Wien, der frühe Abend dämmert, der Mercedes schnurrt, die Ledersitze duften.
    Am Volant sitzt der Chauffeur, ein blasser, stummer Mann mit Goldrandbrille, daneben Tilman Stranzer, ein (wahrscheinlich in diversen Medienseminaren angefertigtes) Designerlächeln auf den Lippen. Auf der Rückbank haben sich Sophie und Polivka gemütlich eingerichtet – oder besser: Herr Friedhelm von Trappenberg und seine Sekretärin Elsje Swanepoel. Ihre Hände berühren einander im Schatten der Armlehne.
    Polivka ist sehr zufrieden.

    Nach der Landung hat er Stranzer seine Sekretärin mit den Worten «Meine Assistentin aus Pretoria» vorgestellt, und die geschickte, raffinierte, die anbetungswürdige Sophie hat nicht nur gleich begriffen, welchen Fisch er in der Business Class geangelt hat, auch die Beschaffenheit des Köders war ihr auf der Stelle klar. Noch ehe Polivka sich einen adäquaten Namen für sie einfallen lassen konnte, ist sie ihm bereits ins Wort gefallen: «Swanepoel», hat sie mit starkem niederländischem Akzent geflötet, «aber Friedhelm, also Herr von Trappenberg sagt zu mich immer Elsje. So Sie wollen, können Sie auch.»
    «Sehr erfreut, Fräulein Elsje.» Stranzer hat Polivka beifällig zugegrinst. «Dann dürfte ich jetzt vielleicht Ihre Karte haben?»
    «Aber selbstverständlich. Die Visitenkarten, Elsje!»
    «Onmiddellik, Herr von Trappenberg …» Sophie hat zusehends nervös in ihren Taschen gekramt, um schließlich händeringend zu vermelden: «So ein Schande … Mein Börsje is weg, aber», triumphierend hat sie einen Bleistift hochgehalten, «ich kann schreiben mit die Hand.»
    «Tun Sie das bitte.» Ohne eine Miene zu verziehen, ist Polivka an Stranzers Seite getreten und hat ihm ins Ohr geraunt: «Ich kann mich glücklich schätzen, dass sie so vergesslich ist. Das rettet schon seit Jahren meine Ehe.»
    Worauf Stranzer sich geschüttelt hat vor Lachen.
    Später, in der VIP-Lounge, wurde es noch einmal brenzlig für Sophie und Polivka. Da fragte Stranzer, der sich mittlerweile seinen Koffer hatte bringen lassen, wo denn ihr Gepäck geblieben sei.
    «Natürlich im Hotel», gab Polivka zurück. «Ich lasse diese Dinge immer schon im Voraus regeln; man umgibt sich ohnehin mit viel zu viel Bagage auf solchen Linienflügen.» Aus den Augenwinkeln konnte Polivka beobachten, wie sich Sophie gesenkten Kopfes auf die Lippen biss: Sie stand nun ihrerseits gefährlich knapp davor, in Lachen auszubrechen. Also wechselte er rasch das Thema: «Übrigens, Herr Doktor, bleiben wir nur eine Nacht in Wien. Es wäre also praktisch, wenn wir heute Abend noch die informellen Formalitäten unseres kleinen Deals besprechen könnten.»
    «Heute noch?», rief Stranzer aus. «Ich fürchte, dass sich das bei mir nicht ausgehen wird.» Er warf – pro forma – einen Blick auf seine Armbanduhr. «Ich hab nämlich um acht schon wieder einen wichtigen Termin in der Provinz, gut eine Autostunde von der Stadt entfernt. Der wird sich kaum verschieben lassen.»
    Da, mit einem Mal, hat Polivka die Chance gewittert – eine kleine Chance freilich, aber eine Chance. Nach fünfzig Teufelchen, die ihn von Brüssel Richtung Wien geritten hatten, saß ihm jetzt Mephisto höchstpersönlich im Genick.
    «Probieren Sie es», versetzte er streng und drückte Stranzer sein Mobiltelefon in die Hand. «Bei uns in Afrika sind wir gewohnt, Geschäfte zügig abzuschließen – wenn uns etwas daran liegt. Also verschieben Sie Ihr Treffen.»
    Wenig später sah er Stranzer, der sich ans andere Ende der Lounge begeben hatte, eine Nummer in das Handy tippen, eine Weile warten und dann in den Hörer sprechen.

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