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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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sich schon bald mit Gutmaisch duzte) hielt es Polivka für angebracht, sich vorab der Loyalität des Wirten zu versichern. Deshalb kam er scheinbar beiläufig auf Stadlwald zu sprechen, auf das Schloss und auf den Fürsten Oppitz-Marigny.
    «Der Oppitz ist ja sicherlich ein Segen für die Gegend», meinte Polivka, «von wegen Arbeitsplätze und so weiter …»
    Gutmaisch grinste hintergründig. «Der Herr Fürst? Bei uns da zeigt er sich so gut wie nie. Sein Personal holt er sich drüben in Tschechien, das kommt ihn billiger. Aber solange seine exquisiten Jagdgäste nicht zwischen unseren Reben wildern, kann er tun und lassen, was …»
    In diesem Augenblick verstummte Gutmaisch, denn mit einem Poltern war die Tür zum Innenhof geöffnet worden. Zwei Uniformierte traten in den Raum – ein Mann und eine Frau in dunkelblauen Polizeimonturen. Sie musterten die Sitzenden mit argwöhnischen Blicken. Polivka ließ seine Hand schon zum Verschluss des Arztkoffers wandern, den der Doktor mit hereingenommen hatte und in dem die Waffen der drei toten Söldner steckten. Ehe er jedoch den Koffer öffnen konnte, nickten die zwei Polizisten in die Runde und bedeuteten dem Wirten, ihnen an die Schank zu folgen. Dort entspann sich ein erregt-verhaltenes Gespräch, ein fieberhaftes Tuscheln, dessen Inhalt Singh, Sophie und Polivka verborgen blieb. Nach einer Weile aber schienen sich die beiden Ordnungshüter zu beruhigen.
    «Nicht einmal ein Achtel?», fragte Gutmaisch.
    «Leider nein, wir müssen weiter», gab der Mann zurück.
    «Und außerdem sind wir im Dienst», fügte die Frau hinzu.
    Sie lachten.
    « Der war gut», sagte der Mann.
    Sobald die Beamten das Presshaus verlassen hatten, kehrte Gutmaisch zum Stammtisch zurück. Auf Singhs und Polivkas fragende Blicke meinte er nur: «Die waren wegen meiner Brennanlage da.»
    «Zum Kontrollieren?», fragte Singh.
    «Zum Destillieren », grinste Gutmaisch. «Letzten Montag haben sie meinen Kessel ausgeborgt, um sich privat ein bissel was zu brennen, und jetzt haben sie mich darum gebeten, ihn noch ein paar Tage behalten zu dürfen.»
    «Aber warum die Geheimnistuerei?» Es war Sophie, die schweigsame und traurige Sophie, die diese Frage stellte.
    «Weil Schwarzbrennen in Österreich verboten ist», erklärte Polivka, der Singhs Enthusiasmus für den Ort Herrnbaumgarten und seine Bürger mehr und mehr zu teilen begann.
    «Die Obrigkeit ist gern ein bisserl nervös», ergänzte Gutmaisch, «jedenfalls, solang sie nicht die oberste der Obrigkeiten ist. So wie ihr dasitzts, könntets ihr ja auch so Zoll … so Zoll … beamte …» Gutmaisch gähnte. Seine Stimme wurde leiser und versiegte; seine Augenlider, vorher schon ein wenig flatterig, schlossen sich nun vollends. An das dunkle Holz der Weinpresse gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, sank er, vom Tagewerk erschöpft, in einen tiefen Schlaf.
    Ein müder alter Engel ging durchs Presshaus.
    «Was sollen wir jetzt tun?», durchbrach Sophie die Stille.
    «Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen.» Singh zog seinen Arztkoffer zu sich, um ihm die Ausweise und Handys der drei Toten zu entnehmen. «Was wir am dringendsten brauchen, ist Zeit, Madame Guillemain, und Ruhe. Das betrifft uns alle, aber ganz besonders Sie. Ich schlage daher vor, den Feind in Sicherheit zu wiegen. Jeden Augenblick wird dieser Mann aus Brüssel, dieser …»
    «Gallagher», warf Polivka ein.
    «Dieser Gallagher die Nummer eines dieser Handys wählen. Er sitzt da drüben sicher schon auf Nadeln, weil er auf die Nachricht Ihres Todes wartet. Also wird er sie bekommen, die Vollzugsmeldung. Von uns.»
    Sollte das Telefon des Blonden läuten, sagte Singh, so wolle er den Anruf selbst beantworten. Sein Englisch sei zwar indisch, aber britischer als das des Österreichers Polivka. Der Herr Bezirksinspektor solle seinerseits den schwarzhaarigen Deutschen imitieren. Sein Norddeutsch sei zwar Wienerisch, doch allemal germanischer als das eines gebürtigen Rajputen. Falls der Apparat Hervés anschlagen sollte, würde man ihn läuten lassen, denn trotz ihres durch und durch französischen Französisch könne Madame Guillemain wohl schwerlich als ihr Bruder durchgehen.

    Drei Führerscheine und drei Telefone liegen auf dem Tisch im Presshaus, und drei Augenpaare starren auf das mittlere der Handys. GALL. , so leuchtet es auf seinem grünen Display auf.
    Polivka mustert den Führerschein, auf dem das Bild des toten Schwarzhaarigen klebt. Er spürt noch

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