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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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dass Sie unbewaffnet und ohne Eskorte kommen, wenn ich bitten darf. Wir wollen die Sache ganz zivilisiert über die Bühne bringen. Ist der Doktor Stranzer noch bei Ihnen?»
    Oppitz räuspert sich. «Der ist gerade auf dem Sprung zum Flughafen.»
    «Bedauerlich. Sonst hätt er gleich mit Ihnen kommen können. Schließlich hat er einen prominenten Anteil an den ganzen Schweinereien auf der Speicherkarte, also wär’s nur recht und billig, ihn an unserem kleinen Handel zu beteiligen.»
    «Das müssen S’ mir nicht zweimal sagen. Selbstverständlich kommt der Stranzer mit, und wenn ich ihn mit nassen Fetzen auf den Kirchberg prügle. Soll er halt erst später fliegen.»
    «Also dann um vier, Herr Oppitz. Sie und die zwei Koffer.»
    «Zwei?»
    «Der Lederkoffer und der Doktor Stranzer.»
    In die kurze Pause, die Polivkas Worten folgt, mischt sich ein unterdrücktes Schnaufen: Oppitz lacht, auch wenn er diesen ungewollten Heiterkeitsausbruch zu kaschieren versucht.
    «Verzeihung, Herr Inspektor … Ja, dann machen wir es so. Um vier in Poysdorf. Ich und die drei Koffer.»
    «Drei?»
    «Ja, wissen Sie, man hat zwar ein paar Autos, aber leider keinen Führerschein. Das ist das traurige Los der Hilfsbedürftigen, die immer auf die Dienste von Chauffeuren angewiesen sind. Und was die Fahrkünste vom Doktor Stranzer anbelangt, so mag ich denen weder mich noch irgendwelche Gelder anvertrauen. Ich werde also auch noch meinen Fahrer mit im Wagen haben.»
    Polivka sieht fragend zu Sophie, die dem Gespräch, so gut es ging, gefolgt ist. Schweigend nicken sie einander zu.
    «In Ordnung, Herr Oppitz.»
    «Habe die Ehre, Herr Bezirksinspektor.»
    Schon hat Oppitz aufgelegt.
    «Das ging mir viel zu glatt.» Sophie blickt Polivka stirnrunzelnd an. «Normalerweise sagen doch Erpressungsopfer, dass das Geld unmöglich in so kurzer Zeit herbeizuschaffen ist.»
    «Normalerweise?»
    «Ja. Im Fernsehen.»
    Polivka schmunzelt. «Stimmt. Da sagen sie auch solche Sachen wie … Wie war das noch, das mit der Körperöffnung?»
    «Baise-toi, connard.»
    «Klingt hübsch, so auf Französisch …» Polivka hält Sophie die Tür auf, und sie steuern auf den vor dem Postamt abgestellten Tata zu. «Natürlich ist er ein connard , natürlich will er uns verschaukeln. Man hat förmlich hören können, wie sein Hirn perfide Pläne wälzt. Das Einzige, worum er sich mit Sicherheit nicht kümmert, ist die halbe Million. Wahrscheinlich schickt er seine Leute gerade auf den Kirchberg, das Terrain sondieren und irgendwelche Fallen stellen.»
    Im Gehen greift Sophie nach seiner Hand. Die Sonne glänzt auf ihrem kupferroten Haarschopf. «Wollen wir sehen, wer hier die besseren Fallen stellt», sagt sie grimmig.

25
    Als die beiden nach Herrnbaumgarten zurückkehren, finden sie das Dorf von einer seltsamen Geschäftigkeit ergriffen: Beiderseits der Straße treten Menschen aus den Häusern oder paradieren bereits in kleinen Grüppchen Richtung Presshaus. Eigenartig sind nicht nur die vorherrschenden Farben ihrer Kleider, auch die Fahnen, die nicht wenige von ihnen schwenken, strahlen in Rot und Weiß und Blau, den Farben Tschechiens. Es ist das Bild einer vollkommen deplacierten Schar von Schlachtenbummlern. Deplaciert, weil sie nicht nur an einem denkbar falschen Ort, sondern – es ist schließlich erst zehn Uhr vormittags – zu einer denkbar falschen Zeit auftauchen.
    «Tschechien spielt heut Abend gegen Griechenland», erklärt Sophie. «Das müssen Fans sein.»
    «Und die wohnen alle hier?»
    «Vielleicht hat sich ihr Bus verfahren.»
    «Wo findet es denn statt, das Spiel?»
    «In Breslau.»
    Auf dem Parkplatz vor dem Presshaus ändert sich der kollektive Farbton, er verschiebt sich hin zu einem dunklen Blau. Rund zwanzig Männer in den schneidigen Monturen der Freiwilligen Feuerwehr haben sich hier versammelt, sie umringen einen roten, tadellos polierten Spritzenwagen, der nach Polivkas Einschätzung aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen dürfte. Feuer oder Rauch sind aber nirgendwo zu sehen, und die Männer strahlen weniger Nervosität als vielmehr eine Art von freudiger Erregtheit aus. Sie plaudern, kichern, rauchen und posieren für das eine oder andere Handyfoto.
    Als Sophie und Polivka aus ihrer gelben Schnecke steigen, kommen vom Eingang des Hofs zwei Polizisten auf sie zu.
    «Da können Sie nicht stehen bleiben!», ruft der eine.
    «Und schon gar nicht mit so einem lächerlichen Plastikkübel!», schimpft der andere.

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