Polivka hat einen Traum (German Edition)
Punkt, der immer größer wird: Sophies déesse in voller Fahrt. Am Rücksitz Hammel, frohgemut dozierend, am Volant Sophie. Daneben Polivka, der ihr vernarrte Blicke zuwirft.
«Oder dieses hier», sagt Oppitz. «Ja, Sie haben schon was durchgemacht …»
Im Wartesaal des Krankenhauses in Paris. Sophie und Polivka nebeneinander, sie bedrückt und sorgenvoll, er unruhig dösend.
«Amiens, Ihr erster Hausbesuch», grinst Oppitz und tippt auf den Bildschirm.
Vor dem Tor des Hauses an der Somme. Von Polivka gefolgt, betritt Sophie den Flur.
«Und hier der Durchbruch. Gratuliere, Herr Bezirksinspektor.»
Brüssel, Vogelperspektive. Polivka sitzt gegenüber von Sophie im Bus. Er beugt sich vor, verliert das Gleichgewicht – und küsst sie.
«Wollen S’ auch noch die Filme sehen, die ich vom Flughafen in Brüssel hab? Entzückend, sag ich Ihnen, eine Mischung aus Reality-TV und Telenovela.»
Polivka starrt auf das Handy. Schüttelt dann den Kopf. «Nein danke», flüstert er, «ich war ja ohnehin dabei.»
«Der Jammer an der Sache ist, dass wir die Filme nicht in Echtzeit kriegen, sondern immer erst im Nachhinein, aus irgendwelchen Datenspeichern. Aber wir arbeiten daran.» Fürst Omar steckt das Smartphone wieder ein und zieht stattdessen ein blassrosa Stofftuch aus der linken Innentasche seiner Jacke. «Diese Hitze», stöhnt er, während er sich sorgfältig die Schweißperlen von Stirn und Schläfen tupft. «Wo waren wir gerade? Ja, natürlich, bei der Technik. Sie haben ja in Brüssel auch zwei solche Handys angeschafft. Das eine haben S’ gleich wieder weggeschmissen, vor dem Palais Liechtenstein, da hab ich auch ein hübsches Video. Aber das andere, das … tät ich mir gern anschauen.» Fordernd hält der Fürst die Hand auf. «Kommen S’, Herr Bezirksinspektor, zeigen S’ her.»
Polivkas letzte Hoffnung zerrinnt. Er muss erkennen, dass er Omars Taktik heillos unterlegen ist: zuerst das väterliche, scheinbar wohlmeinende Vorgeplänkel, um den Gegner einzulullen, danach die beiläufige Machtdemonstration, um ihn zu demoralisieren, und am Ende der finale Schlag, um jede weitere Gegenwehr zu unterbinden. Resigniert nimmt Polivka sein Telefon heraus und stellt die Sprachaufnahme ab.
«So ist es brav», sagt Oppitz. «Glauben S’ nicht, dass Sie der Erste sind, der das mit mir probiert. Im Gegenteil: Kaum hat man sich ein bisserl was aufgebaut, beginnt die linke Jagdgesellschaft, einem alles wieder zu vermiesen. Abhörmikrophone und versteckte Kameras, Peilsender und angezapfte Telefone, überall nur Neid und Missgunst, List und Bosheit. Und das alles zum Quadrat, wenn man auch noch eine Ministerin zu Hause hat. Ein Hundeleben, sag ich Ihnen.» Oppitz seufzt und greift sich auf den Kopf wie auf der Suche nach einem verlorenen Toupet. «Egal: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Jetzt, Herr Bezirksinspektor, können wir reden. Schauen S’, da ist ein schönes Platzerl.» Er zeigt auf eine morsche Kellerpforte, neben der – im Schatten einer kleinen Weinlaube – eine hölzerne Sitzbank steht. «Ich hab nur leider wenig Zeit, weil meine Frau Gemahlin mich in Wien erwartet: so ein Benefizball in der Hofburg, wo ich eine Rede halten soll.»
«Das trifft sich gut», erwidert Polivka. «Die Abendnachrichten beginnen um halb acht, und ich muss rechtzeitig zum Redaktionsschluss auch in Wien sein.»
«Diese Speicherkarte …», sagt der Fürst. «Was wollten Sie noch rasch dafür?»
«Der Preis hat sich erhöht, Herr Oppitz: eine Antwort. Ich will eine Antwort.»
27
«Ohne mich und meinesgleichen, Herr Bezirksinspektor, hätten wir schon längst die Anarchie. Obwohl natürlich eine Anarchie genauso funktionieren kann wie unsere Demokratie, solang nur ein starker Anarch an der Spitze steht.»
«Das sagt ein sogenannter Adeliger. Ehrlich gesagt, Herr Oppitz, bin ich nicht zum Scherzen aufgelegt.»
«Schade. Aber etwas Wahres ist schon dran an meinem Satz: Wer, bitte, soll den Leuten sagen, was sie wollen und was sie brauchen? Selbstverständlich die Politiker, die sie zu diesem Zweck ja selbst gewählt haben. In irgendeinem Kuhdorf ist’s der Bürgermeister, und in der EU ist es die Kommission. Der Unterschied ist, dass der Bürgermeister auf die Wähler Rücksicht nehmen muss, auch wenn er längst im Amt ist, weil er ihnen Tag für Tag persönlich über den Weg läuft. So ein Kommissar hat’s leichter, der kann was bewegen. Erstens ist er nicht vom Volk gewählt, sondern von den Emissären der Abgesandten
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