Polt.
schon.«
»Und?«
»Würde ich wirklich wollen, hätt ich schon früher gefragt, meint sie.«
»Hm. Gar so unrecht hat sie damit nicht. Aber das war mehr eine Reflexhandlung, wetten? Dein Sturmangriff ist elegant beantwortet und jetzt denkt sie nach.«
»Also von wegen Sturm …«
»Egal. Und jetzt ist mir nach Wein. Stoßen wir drauf an, Simon, dass bald alles vorbei ist?«
»Ja, gern, natürlich!«
Polt beobachtete Birgit Sailer, wie sie die Flasche öffnete und die Gläser füllte: Schlank und groß war sie, aber nicht mager, kurz geschnittenes, strohblondes Haar und wasserblaue Augen. Eigentlich passte sie nicht recht ins Wiesbachtal. Zu ihrem Norbert passte sie aber sehr wohl.
Die Flasche war halbleer, als Birgit Sailer ihr Glas von sich wegschob. »Schluss damit, sonst wird ich auch noch sentimental. Also jetzt einmal ganz vernünftig gefragt: Zufall kann das alles keiner sein. Aber was war es dann? Dieser Primi wird mir ein Loch in den Bauch fragen, Simon. So eine Laus, sag ich dir. Ganz ehrlich, du hast ja viel Erfahrung: Wie geht’s dir mit dieser Geschichte?«
»Gar nicht, offen gesagt. Die Indizien liegen halt schon sehr auffällig da. Warum das so ist, darfst du mich nicht fragen.«
»Der Norbert sagt, dass sie ein Foto von dem Toten ins Illustrierte Heimatblatt geben wollen.«
»Warum auch nicht? Vielleicht kennt ihn ja doch jemand bei uns. Soll ich mich umhören, bevor sich die Polizei unnötig wichtig macht?«
»Das wirst du schön bleiben lassen, Simon. Wenn der Primi etwas davon bemerkt, haben wir erst recht Feuer am Dach.«
»Stimmt schon, Birgit. Aber wenn du irgendwann was brauchst von mir, sag’s einfach, ja? Und ich geh dann. Sonst krieg ich noch die Kündigung von meiner Aloisia.« Polt stutzte, als er Norbert Sailers Stimme von der Küchentür her hörte.
»Einer geht, einer kommt, so ist das eben, wenn Frauen Vielmännerei betreiben.« Er warf einen Blick auf Birgit, auf die Weinflasche und die Gläser. »Ein konspiratives Treffen, wie ich sehe. Ist doch gut, wenn ein Ehemann ab und zu nach dem Rechten schaut. Im Ernst, Simon möchte gar nicht wissen, was ihr geredet habt. Wird schon was Gescheites gewesen sein. Danke jedenfalls!«
Verdächtig
Mit schlecht gespieltem Diensteifer betrat Polt Frau Habesams Kaufhaus. Doch auch diese Andeutung von Beflissenheit hätte er sich sparen können: Seine Arbeitgeberin war nicht zu sehen. Er hielt vergeblich in der Büro-Küche und im Lagerraum Nachschau. Von dort aus, wusste Polt, führte eine Tür in die ihm unbekannten Wohnräume der Kauffrau. Zögernd klopfte er, öffnete die Tür und fand sich in Frau Aloisias Schlafzimmer wieder. Weiß gekalkte Wände, schwere Möbel aus polierter Eiche, ein nächtens bei Mondschein röhrender Hirsch im schwarz-goldenen Rahmen, in der Luft ein intensiver Geruch nach Bodenwachs und Lavendel, etwas Weihrauch dazu. Frau Habesam, offenbar bemüht, mit dem Griff ihrer Krücke etwas unter dem Bett hervorzuholen, drehte sich zu Polt um. »Na endlich kommst du. Hilf mir! Da ist eine große Schachtel, die möchte ich haben.«
Polt kniete nieder und zog den dick mit Staub bedeckten Karton hervor.
»Geh ins Bad, Simon, wisch ihn ab und komm wieder. Händewaschen nicht vergessen. Wie du ausschaust, genierst dich gar nicht? Und dann stellst du die Schachtel auf den Küchentisch. Verstanden?«
»Aber ja, Frau Aloisia.«
»Also, was haben wir denn da?« Sie hatte den Deckel abgehoben und holte ein Fotoalbum hervor. ,ßhe und Familie. Uninteressant. Den Meinigen hab ich zu Lebzeiten oft genug gesehen. Ah ja: Nachkriegszeit.« Sie blätterte. »Schau einmal her, Simon, der fesche Russ da in Uniform! Der war ohne Uniform noch fescher, ich mein ganz ohne irgendwas.«
»Aber!«
»Waren andere Zeiten.« Sie klappte das Album frohgemut zu. »Und das da! Ganz etwas Besonderes, hab ich von den Eltern geerbt: Heim ins Reich!. Siehst du die vielen Hakenkreuzfahnen? Alle waren dafür. Waren andere Zeiten. Ah ja. Das hab ich gesucht: Feste und Feiern. Wart ein bissl. Na bitte! Schau dir das an. Ich glaub, das war beim Kirtag, Ende der 70er Jahre.« Sie deutete auf ein Foto, das eine junge Frau in Jeans und T-Shirt zeigte, ein kleines Mädchen im Volksschulalter an der Hand, abstehende Zöpfe wie Pippi Langstrumpf. »Die Zillinger Hilde, Simon, und ihr Mäderl, die Birgit!«
»Birgit?«
»Ja, genau die. Die Hilde hat in Wien studiert, ich weiß nicht was, hauptsächlich Männer, glaub ich. Jedenfalls hat sie
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