Polt.
für die Rolle einer duldsam wartenden Ehefrau ist denkbar gering.«
»Wie du meinst, Birgit.«
Simon Polt schluckte mit unfrommer Andacht den letzten Bissen hinunter, tastete verstohlen nach seinem Gürtel und machte ihn ein Loch weiter. »Kompliment, Birgit! Das war endlich wieder einmal was Ordentliches.«
»Musst halt öfter kommen.«
»Wie schaut denn das aus, wenn der Hausfreund dauernd in der Küche sitzt! Und jetzt ganz offen, Birgit: War’s ein arger Schrecken für dich, vorgestern Abend?«
»Was soll ich sagen. Du kennst ja den Norbert. Seine sachliche Art, mit so was umzugehen, hat es mir erst einmal leichter gemacht. Aber geschlafen hab ich nicht viel in dieser Nacht und in der nächsten noch weniger.«
»Warum eigentlich?«
»Weil etwas dazugekommen ist. Der Norbert meint, du kannst es ruhig wissen, als Freund und ehemaliger Kollege. Sogar dieser Eigenbrötler von Primi hat ja für den Anfang seine Informationen an alle in der Dienstelle weitergeben und um breite Unterstützung gebeten. Umso besser kann er sich später im Alleingang wichtig machen und einen gegen den anderen ausspielen. Sag halt nicht weiter, dass auch du Bescheid weißt.«
»Wo wird ich! Erzähl schon.«
Birgit schaute Polt forschend ins Gesicht. »Soll ich wirklich? Du hast doch als Gendarm aufgehört, weil du nichts mehr zu tun haben willst mit solchen Sachen.«
»Stimmt schon. Aber warum es dir nicht gut geht und dem Norbert wahrscheinlich nicht viel besser, möchte ich trotzdem wissen.«
»Danke, du! Also, ich fang von vorn an, damit du dir ein Bild machen kannst. Noch weiß niemand, wer der Tote ist, hat mir der Norbert erzählt. Und… du hast ihn ja gesehen: Teure Markenkleidung, aber unaufdringlich. Modisch eben, recht locker und individuell, und das bis ins Detail: feine Zwirnsocken und die Unterhose von Calvin Klein.«
»Kenn ich nicht.«
Birgit Sailer kicherte. »Hätt mich auch gewundert. Die Frau Habesam führt ja nur Doppelripp, mit Eingriff.«
»Birgit!«
»Ich hör ja schon auf. Papiere hat man keine gefunden, aber Münzen und ein paar hundert Euro, lose eingesteckt. Und dann war da noch ein Taschenbuch. Wart, jetzt muss ich nachschauenalle Kollegen haben Fotokopien bekommen. Ich hab’s schon … Yoshida Kenko, Betrachtungen aus der Stille. Eine Textstelle ist angestrichen, ein Gedicht. Ich les es dir vor: Meiner Geliebten / Gartenhecke sehe ich / kläglich verfallen / nun wuchern Veilchen hier / mit wilden Tsubana vermischt. - Zum Weinen schön, nicht wahr?«
»Traurig jedenfalls.«
»Ja, sehr. Auf der Glasscherbe, die schon dem Norbert aufgefallen ist, sind nur die Fingerabdrücke des Toten. Alles deutet auf Selbstmord hin. Nur etwas nicht, Simon, etwas nicht. Ein kleines Notizbuch ist auch noch gefunden worden, mit einer einzigen Eintragung: N. u. Birgit Sailer. Dazu unsere Telefonnummer. Da, schau einmal! Das hier ist eine Fotokopie von der Seite.«
»Oh, verdammt. Wie in aller Welt…«
»Ja, wie? Der Primi wollte natürlich von meinem Mann wissen, was er dazu sagt. Nichts war die Antwort vom Norbert. Jetzt weißt du, warum ich nicht schlafen kann, Simon. Und darum frag ich dich: Wie kommt dieser Mensch in unseren Weingarten und wie kommt diese Eintragung ins Notizbuch?«
»Da fragst du mich zu viel, Birgit. Man könnt fast auf die Idee kommen, als hätte euch jemand was antun wollen. Aber wozu das ganze Theater? Trotzdem, denk einmal nach: Hat der Norbert irgendwelche Feinde?«
»Feinde, Feinde tüchtig ist er halt, und das gefällt nicht jedem.«
»Was sagt er dazu?«
»Kein Wort. Das ist immer so, wenn es hart auf hart geht, du kennst das ja auch von ihm. Vielleicht erzählt er dir trotzdem mehr. Wenn er nur schon da wäre! Ja … und für morgen um neun hat mich der Primi vorladen lassen. Was soll ich diesem Menschen sagen, Simon, was?«
»Die Wahrheit. Ist immer noch das Einfachste.«
Birgit Sailer schwieg. Polt schaute ihr freundlich ins Gesicht, glaubte ein winziges Lächeln zu sehen, das nach und nach aber härtere Konturen bekam, erstarrte und zerbrach. Birgit heulte drauflos, nahm sich aber bald mit einem heftigen Kopfschütteln zusammen. »Ich blöde Gans! Entschuldige, Simon. Wie kommst du dazu! Natürlich hast du recht. Predigt mir mein Mann ja auch immer, das mit der Wahrheit. Er wird schon wissen warum. Frauen sind doch wirklich das Letzte.«
»Find ich nicht.«
»Ja, wenn man eine Karin hat… Hast sie schon gefragt, Simon?«
»Wie? Was? Ach so … ja,
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