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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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über die Unklarheiten in der Markenfrage rief nach einer demokratischen Entscheidung. Es war schwer zu vermitteln, dass teilweise ein und dieselben Konsumgüter unter Verwendung verschiedener Namen, einmal West, einmal Ost, in die Regale eingestellt wurden, und so überließ die Führung der DDR der Bevölkerung selbst, wie das heißen sollte, was seit der Wende unter Hinzugewinnung der westlichen Produktionskapazitäten in unserem Land produziert und konsumiert werden sollte. Zitat Neues Deutschland, 4.10.1991 aus dem Leitartikel Sieg der sozialistischen Demokratie.«
    Die Westler haben ganz schön gemotzt, erinnerte sich Kramer. Dass die Nobelschlitten aus Sindelfingen »Wartburg L« (L wie »Luxus«) getauft werden und dass im Westen hergestellte Produkte »Malimo«, »Fit« und »Florena Red-White« heißen sollten, auch wenn sie früher auf die Namen GoreTex, Pril und Mentadent C gehört hatten, stieß manchen sauer auf. Es kam sogar zu öffentlichen Boykottdrohungen, und dieser Unfug hörte erst auf, als auch dem verstocktesten Wessi klar wurde, dass die Qualität allgemein auf das Vorkrisenniveau West angehoben wurde, die Preise aber nicht. Auch im Osten war man damit zufrieden, dass »Heilpunkt Husten-Perlen« jetzt besser schmeckten, weil sie tatsächlich von einem Betrieb hergestellt wurden, der früher auch Haribo gemacht hatte. Die Frage nach der lustigsten Umbenennung war für Kramer übrigens immer leicht zu beantworten gewesen: »Prozac«, das Mode-Antidepressivum aus dem Westen, hieß jetzt in der ganzen DDR »Auf Zack«, und die VEB Pharmazeutische Wirkstoffe Bitterfeld, die den alten Hersteller geschluckt hatte, wurde vom Volksmund West und Ost einhellig nur noch »VEB Gehirnchemie« genannt.
    »Danke, Herr Brinkmann«, sagte Dr. Neff.
    Kramer stand auf und rief in die aufschrillende Pausenklingel hinein: »Vielen Dank, vielen Dank. Herr Sebastian Verner möchte doch bitte hier bleiben, wenn die anderen in die Pause gehen, wir würden uns gerne mit ihm unterhalten.«
    Blond, schlank und gut aussehend, gab Verner das Bild eines jungen Aristokraten ab. Er lehnte mit eingeübter Grazie am Lehrerpult und strahlte eine umwerfende Arroganz aus, die auf Kramer wie Nervengift wirkte. Er bekam schon Kopfweh, wenn er diesen Jungen nur ansah. Kaum fünf Minuten hatte er mit ihm gesprochen, da fand er seinen Kinderwunsch von neulich durch und durch idiotisch.
    »Du hast Michael Abusch gut gekannt?«, fragte Kramer.
    »Sie«, antwortete Sebastian Verner.
    »Was?«
    »Ich würde es vorziehen, mit ›Sie‹ angesprochen zu werden.«
    »Ah so, natürlich. Sie haben Herrn Abusch gut gekannt?«
    »Ich war sein bester Freund, wie man so sagt.«
    Kramer atmete tief durch. Bester Freund. Wie man so sagt.
    »Wie war er denn so, der Michael? Ich würde mir gern ein Bild von ihm machen, wissen Sie?«
    Sebastian Verner lächelte. »Michael war begabt.«
    »Begabt? In welcher Hinsicht?«
    »In vielerlei Hinsicht. Vor allem, was Computer anging.«
    Jetzt war es an Kramer zu lächeln. »Ja. So sagt man.«
    Pasulke, der mit dem Rücken zum Fenster hinter Sebastian Verner stand, rollte mit den Augen.
    »Sagen Sie, Herr Verner – sind Sie in dieser Hinsicht auch begabt? Was Computer angeht? Sie haben doch beide bei einer Station Junger Techniker mitgemacht, nicht wahr?« Kramer wollte seine Stimme von Sarkasmus freihalten, aber es gelang ihm nicht ganz.
    »Ich komme ganz gut zurecht, doch. Allerdings nicht so wie Michael.«
    »Was wissen Sie über Polyplay?«, fragte Kramer.
    Sebastians Lippen öffneten sich leicht, er blinzelte. »Sie meinen dieses Computerspiel? Michael war richtig versessen darauf. Er hatte da so eine Theorie.«
    »Ach?«
    »Ja. Er glaubte, es gebe außer den normalen Spielen noch andere. Oder zumindest ein anderes. So spezifisch war er mit der Anzahl der Spiele nicht. Jedenfalls mussten seiner Meinung nach hinter den acht normalen Spielen noch andere existieren. Die ›Geisterspiele‹ nannte er sie. Er wollte diese Spiele unbedingt finden.«
    »Finden?«
    »Genau. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, war er überzeugt, dass es über die normalen Spiele irgendwie einen Zugang zu den Geisterspielen geben müsse. Irgendein besonderes Level oder eine Kombination bestimmter Umstände oder eine bestimmte Punktzahl, irgendwas. Ich habe ihn ein paarmal gefragt, warum er das glaubte, aber darauf hat er mir keine richtige Antwort gegeben. Wenn Sie mich fragen, war diese ganze Theorie ein

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