Pompeji
Steinbrüstung. »Hier hat einmal mein erster Besitz gestanden. Vor siebzehn Jahren habe ich ihn gekauft. Wenn ich dir sagen würde, wie wenig ich dafür bezahlt habe – du würdest es nicht glauben. Allerdings war nach dem Erdbeben nicht mehr viel davon übrig. Kein Dach, nur die Mauern. Ich war achtundzwanzig. Niemals davor oder danach war ich so glücklich. Ich habe das Haus repariert und vermietet, ein weiteres gekauft und auch das vermietet. Einige dieser alten Häuser aus den Zeiten der Republik waren riesig. Ich habe sie aufgeteilt und zehn Familien in ihnen untergebracht. Und so habe ich bis heute weitergemacht. Hier ist ein guter Rat für dich, mein Freund: Es gibt keine sicherere Geldanlage als Grundbesitz in Pompeji.«
Ampliatus erschlug eine Fliege, die in seinem Genick saß und betrachtete das zerquetschte Insekt zwischen seinen Fingern. Dann schnippte er es von sich. Attilius fiel es nicht schwer, ihn sich als jungen Mann vorzustellen – brutal, tatkräftig, unbarmherzig. »Du warst damals von den Popidii bereits freigelassen worden?«
Ampliatus warf ihm einen Blick zu. Sosehr er sich auch bemühte, sich freundlich zu geben, dachte Attilius – diese Augen werden ihn immer verraten.
»Wenn das als Beleidigung gedacht war, Aquarius, dann vergiss es. Jeder weiß, dass Numerius Popidius Ampliatus als Sklave geboren wurde und sich dessen nicht schämt. Ja, ich war frei. Mein Herr hat mir in seinem Testament die Freiheit geschenkt, als ich zwanzig war. Lucius, sein Sohn – derjenige, den du gerade kennen gelernt hast –, machte mich zu seinem Hausverwalter. Dann habe ich eine Weile als Schuldeneintreiber für einen alten Geldverleiher namens Jucundus gearbeitet, der mir eine Menge beigebracht hat. Aber ohne das Erdbeben wäre ich nie reich geworden.« Er warf einen liebevollen Blick auf den Vesuv. Seine Stimme wurde sanfter. »Eines Morgens im Februar kam er vom Berg herab wie ein Wind unter der Erde. Ich sah es kommen, sah, wie sich die Bäume auf seinem Weg bogen, und als alles vorüber war, lag diese Stadt in Trümmern. Da spielte es keine Rolle mehr, wer als freier Mann geboren war und wer als Sklave. Die Stadt war leer. Man konnte eine Stunde durch die Straßen wandern, ohne jemandem zu begegnen außer den Toten.«
»Wer war für den Wiederaufbau der Stadt verantwortlich?«
»Niemand! Das war die eigentliche Schande. All die reichen Leute flüchteten auf ihre Landsitze. Sie waren alle überzeugt, dass es noch ein weiteres Erdbeben geben würde.«
»Auch Popidius?«
»Ganz besonders Popidius!« Ampliatus rang die Hände und winselte: »›O Ampliatus, die Götter haben uns im Stich gelassen! O Ampliatus, die Götter strafen uns!‹ Die Götter! Wie findest du das? Als ob es den Göttern nicht völlig gleichgültig wäre, wen oder was wir vögeln oder wie wir leben. Als ob Erdbeben nicht genauso sehr ein Teil des Lebens in Campania wären wie heiße Quellen und sommerliche Dürre! Natürlich kamen sie wieder angeschlichen, sobald sie sahen, dass es sicher war, aber da hatten sich die Dinge bereits geändert. Salve lucrum! ›Gepriesen sei der Gewinn!‹ Das ist das Motto des neuen Pompeji. Du kannst es überall in der Stadt sehen. Lucrum gaudium! ›Gewinn macht Freude!‹ Nicht Geld, verstehst du, jeder Narr kann Geld erben. Gewinn! Dazu braucht man Geschick.« Er spuckte über die Mauer auf die Straße unter ihnen. »Lucius Popidius! Über welches Geschick verfügt der? Er kann kaltes Wasser trinken und es heiß wieder auspissen, und damit hat es sich. Während du« – und wieder hatte Atillius das Gefühl, abgeschätzt zu werden – »du bist, glaube ich, ein Mann mit einigem Talent. Du bist so, wie ich in deinem Alter war. Einen Mann wie dich könnte ich brauchen.«
»Mich brauchen?«
»Hier, für den Anfang. Diese Bäder könnten einen Mann brauchen, der etwas von Wasser versteht. Als Gegenleistung für deine Ratschläge könnte ich dich beteiligen. Ein Anteil vom Gewinn.«
Attilius schüttelte lächelnd den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
Ampliatus erwiderte das Lächeln. »Ah, du willst handeln! Das bewundere ich bei einem Mann. Also gut – dann also außerdem einen Anteil am Besitz.«
»Nein. Vielen Dank. Ich fühle mich geschmeichelt. Aber meine Familie hat seit einem Jahrhundert an den kaiserlichen Aquädukten gearbeitet. Ich bin in meine Profession hineingeboren und werde auch als Wasserbaumeister sterben.«
»Warum nicht beides tun?«
»Wie bitte?«
»Kümmere dich um den
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