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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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Begründung, dass ihnen die Abhebegebühr zu hoch sei und sie das Geld nicht auf dem Konto festlegen wollten. Das wirft ein Licht auf ein interessantes Paradox: Es gibt Möglichkeiten, mit den eigenen Disziplinproblemen fertig zu werden, doch um sie zu nutzen, ist in der Regel ein erster selbstdisziplinierender Schritt nötig. Pascaline Dupas und Jonathan Robinson konnten das in einer weiteren Studie mit den Marktleuten aus dem kenianischen Bumala sehr schön zeigen. 9 Sie hatten beobachtet, dass vielen kleinen Geschäften Umsatz verloren geht, wenn der Inhaber (oder ein Mitglied seiner Familie) krank wird und Medikamente kaufen muss. Sie suchten nach einer Möglichkeit, den Menschen zu helfen, indem man bestimmte Ersparnisse für solche Eventualitäten oder für den Kauf von Artikeln zur Gesundheitsvorsorge (wie Desinfektionsmittel oder Moskitonetze) reserviert. Darum nahmen sie Kontakt mit ROSCA-Mitgliedern auf und boten ihnen eine abschließbare Kassette zum Sparen für gesundheitliche Notfälle an. Den Schlüssel für die Kassette gaben sie manchmal zufällig ausgewählten Personen, manchmal behielt ihn die Mitarbeiterin der NGO, die im Bedarfsfall kam, die Kassette öffnete und das für medizinische Zwecke benötigte Geld herausgab. Dank der Gesundheitskassette gaben die Menschen mehr Geld für Vorsorgemaßnahmen aus. Das funktionierte aber nicht, wenn die Kassette verschlossen war, stellten Pascaline Dupas und Jonathan Robinson überrascht fest: Dann legten die Leute nur wenig Geld hinein. Darauf angesprochen sagten sie, sie würden kein Geld oder nur kleine Beträge in die Kasse legen, weil sie Angst hätten, nicht an das Geld zu kommen, wenn sie es bräuchten.
    Sich eines Problems bewusst zu sein bedeutet nicht notwendigerweise, dass man es lösen kann. Es kann auch heißen, dass wir ganz genau wissen, wo wir versagen werden.
    Armut und die Logik der Selbstdisziplin
    Weil man Selbstdisziplin nicht kaufen kann, versuchen sich selbstkritische Menschen mit anderen Schutzmaßnahmen vor möglichen zukünftigen Versuchungen zu schützen. Eine naheliegende Strategie lautet: Lieber heute nicht so viel sparen, morgen verschwenden wir es sowieso. Genauso gut können wir der Versuchung heute nachgeben, statt damit bis morgen zu warten. Diese perverse Logik der Versuchung funktioniert für Arme und Reiche in absolut derselben Weise, aber wir haben gute Gründe zu der Annahme, dass die Folgen für die Armen schwerwiegender sind als für die Reichen.
    Bei Versuchungen handelt es sich meistens um »bauchgesteuerte« Wünsche (Dinge wie Sex, süßes oder fettes Essen, Zigaretten, wenn auch nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge). Was das angeht, ist es für Reiche viel leichter, an den Punkt zu kommen, an dem alle ihre Gelüste befriedigt sind. Stehen sie dann vor der Entscheidung, Sparen ja oder nein, können sie davon ausgehen, dass alles Geld, das sie zurücklegen, in langfristige Ziele fließen wird. Wenn stark gesüßter Tee als Inbegriff eines verführerischen Produkts gelten kann, was er für die Frauen aus Hyderabad augenscheinlich war, dann haben die Reichen kein Problem damit – und zwar nicht weil sie für Versuchungen nicht empfänglich wären, sondern weil sie sich bereits so viel Tee (oder vergleichbare Ersatzstoffe) leisten können, dass sie sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob sie ihre sauer verdienten Ersparnisse vielleicht gerade in ein paar Tassen Tee versenken.
    Dazu kommt, dass viele Produkte, die Arme wirklich gerne hätten, wie ein Kühlschrank, ein Fahrrad oder eine bessere Schule für ihr Kind, relativ teuer sind. Das heißt, immer wenn sie über ein bisschen Geld verfügen, haben die verführerischen Produkte gute Chancen, sich gegen die großen Pläne durchzusetzen ( Du wirst nie genug Geld für einen Kühlschrank zusammenbekommen, flüstert die Stimme in ihrem Kopf. Kauf dir lieber
eine Tasse Tee  …). Es ist ein Teufelskreis: Sparen ist für Arme weniger attraktiv, weil die Ziele für sie oft in weiter Ferne liegen, und sie sich der Versuchungen auf dem Weg dorthin sehr wohl bewusst sind. Aber wenn sie nicht sparen, bleiben sie natürlich arm. 10
     
    Für die Armen könnte es noch aus einem anderen Grund schwierig sein, sich zu beherrschen. Sparentscheidungen sind für jeden schwer, egal ob reich oder arm. Um solche Entscheidungen treffen zu können, muss man über die Zukunft nachdenken (was viele Arme wegen der unerfreulichen Aussichten vermutlich nicht gerne tun),

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