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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ist in
     jedem Fall ein sehr guter Ausgangspunkt für alle weiteren Fragen.»
    «Was für ein Buch hat Stevenson denn nun verwendet?», frage ich und trinke noch einen Schluck Tee aus meinem Becher.
    «Ach, Alice.» Mein Großvater betrachtet seine Hände und seufzt tief auf. «Das kann ich dir leider nicht sagen.»
    «Warum denn nicht? Ich sage es auch nicht weiter.»
    Er seufzt noch einmal. «Ich kann es niemandem sagen. Ich kann dir nur verraten, dass der Text nicht mehr existiert und ich
     ihn mir regelrecht selbst zusammenbauen musste, von hinten nach vorne   …»
    «Aber du hast es doch auch Dad erzählt!»
    «Nein. Er hat geglaubt, er hätte es selbst herausgefunden.»
    «Stimmte das denn?»
    «Natürlich nicht. Aber er wollte ja nicht hören. Und ich konnte ihm auch nicht sagen, worin er sich getäuscht hatte, ohne
     ihn auf die eigentliche Lösung zu bringen.»
    Dann wird mein Vater also nicht mit dem Schatz zurück nach Hause kommen. Toll.
    «Hatte er die Lösung von meinem Medaillon?», frage ich und greife nach dem Anhänger unter meinem T-Shirt .
    «Nein.»
    «Aber das ist doch die Lösung, oder?»
    «Nein.» Mein Großvater unterbricht sich, um seine Pfeife noch einmal anzuzünden. «Es ist der Schlüssel zur Lösung.»
    Es bringt mich richtig auf die Palme, wenn er solche Sachen sagt. Ich will Antworten, keine neuen Rätsel.
    «Aber warum kannst du es denn keinem erzählen? Willst du dir den Schatz heimlich selber holen?»
    «Nein. Ich werde mir den Schatz keineswegs holen, weder heimlich noch sonstwie.»
    «Du willst den Schatz nicht holen? Aber warum denn nicht?»
    «Es gibt mehr im Leben als Geld und Besitz, Alice.»
    «Aber   …»
    «Auf Piratenschätzen liegt immer ein Fluch, das erzählt man sich zumindest. Eigentlich glaube ich ja nicht an übersinnliche
     Flüche, aber als Schatzsucher wird man dennoch selten glücklich. Sämtliche Freunde und Verwandten interessieren sich plötzlich
     brennend für einen, weil sie gehört haben, dass man auf Schatzsuche geht, und man kann sicher sein, dass sie nach der Rückkehr
     mehr von einem wollen als Liebe und Freundschaft. Und falls man tatsächlich mit einem Schatz zurückkehrt, wird man feststellen,
     dass man mit einem Mal viel mehr Freunde und vielleicht sogar mehr Verwandte hat als vorher – sogar Leute, von denen man gar
     nicht wusste, dass man sie kennt. Alle wollen sie etwas von dem abhaben, was man besitzt. Und das gilt ja nur für den Fall,
     dass man überhaupt zurückkehrt. Stell dir das nur vor: Man reist an einen fernen Ort und gräbt eine riesige, uralte Truhe
     aus, voll mit Gold, Edelsteinen und Münzen. Wie soll man die transportieren? Wo bringt man sie hin? Was stellt man damit an?
     Auf der Welt wimmelt es von Leuten, die sich eines solchen Schatzes nur zu gern bemächtigen würden und den Finder dabei womöglich
     töten. Vielleicht muss man auch selbst Gewalt anwenden, um sie abzuwehren. Und wozu das alles? Damit man nach Hause zurückkommt
     und sich einen Privat-Pool und ein paar Pelzmäntel leisten kann. Wir haben doch alles, was wir brauchen – wieso sollen wir
     unser Leben aufs Spiel setzen, um noch mehr zu bekommen?»
    Da hat er natürlich recht. So eine Schatzsuche hört sich ganz schön gefährlich an.
    «Kannst du denn nicht irgendwen hinschicken, der dir den Schatz holt?», frage ich.
    «Wen denn? Und wie sollte ich denjenigen bezahlen? Wenn er den Schatz tatsächlich hebt, wieso sollte er ihn mir dann noch
     bringen? Mir scheint kein großer Reiz darin zu liegen,einen Piratenschatz für jemand anderen zu heben, findest du nicht auch?»
    «Puh. Ja, wahrscheinlich nicht.»
    Ich höre die leisen Schritte meiner Großmutter auf der Treppe.
    «Hast du ihr schon von dem Vogelschutzgebiet erzählt?», fragt sie, als sie in die Küche kommt.
    «Was denn für ein Vogelschutzgebiet?», frage ich.
    «Ach», sagt mein Großvater.
    «Was?»
    «Tja, das ist der andere Grund, weshalb ich nicht verraten will, wo der Schatz vergraben liegt.»
    «Wegen einem Vogelschutzgebiet?»
    «Ja. Der Schatz, falls es ihn denn wirklich gibt, befindet sich in einem Gebiet, das inzwischen teilweise zum Vogelschutzgebiet
     erklärt wurde. Das ist leider auch der Punkt, über den ich mich ernstlich mit deinem Vater zerstritten habe. Er war der Ansicht,
     die Zerstörung des natürlichen, geschützten Lebensraums einiger fast ausgestorbener Vogelarten sei ein geringer Preis für
     den Schatz, den wir dort finden würden. Ich sehe das anders. Und

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