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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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achten, was ich tue, und seinen Kasparow-Angriff einfach Zug
     für Zug abzuspulen. Zehn Minuten später habe ich gewonnen.
    Eigentlich wollte ich ja statt der Scheußlichkeiten aus meiner Phantasiewelt etwas Nettes und Höfliches zu ihm sagen, «Gutes
     Spiel, Sir» beispielsweise. Doch Motzmann lässt mir gar keine Gelegenheit dazu. Mit verletzter, verwirrter und gedemütigterMiene verlässt er ohne ein weiteres Wort die Aula. Die Jungen, die natürlich alle zugeschaut haben, beäugen mich, als wäre
     ich ein hochgiftiges Monstrum aus dem höchsten Level ihres aktuellen Videospiels. In meiner Phantasie applaudieren sie mir
     alle, weil ich den bösen Despoten Motzmann endlich besiegt habe. In Wirklichkeit klatschen nur die Eltern und meine Großeltern.
     Aber das genügt mir schon.

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
    A ls Ben schließlich doch noch kommt, hat er Esther dabei.
    «Wir sind auf der Flucht», verkündet Esther, kaum dass sie im Zimmer sind. «Wir sind also gar nicht hier.»
    Was habe ich nun wieder nicht mitgekriegt? Was immer es ist, es scheint ziemlich spaßig zu sein. Die beiden haben rote Wangen
     und sind leicht außer Atem, wie zwei Kinder, die draußen im Schnee gespielt haben.
    «Eigentlich will sie damit sagen,
sie
ist gar nicht hier.» Ben kommt herüber und setzt sich neben mich. Esther hockt sich ans Fußende.
    «Wo wart ihr denn?», frage ich.
    «In Totnes», sagt Ben. «Das ist so ein kleines Hippiestädtchen ganz hier in der Nähe. Zumindest sah es auf der Karte ziemlich
     nah aus. Aber letztlich haben wir doch fast vierzig Minuten mit dem Auto gebraucht, nicht, Esther? Ungefähr.» Er schaut auf
     die Uhr. «Mann, ist das schon spät. Ich sollte mich lieber mal ums Abendessen kümmern.»
    «Wer ist denn gefahren?», frage ich verwirrt. «Ich dachte, wir sitzen alle hier fest.»
    «Esther ist mit dem Auto da», erklärt Ben. «Eigentlich wollte sie abhauen, und ich habe sie gebeten, mich bis Totnes mitzunehmen.
     Irgendwann hat sie beschlossen, doch nicht abzuhauen, und hat mich auch wieder mit zurück genommen.»
    «Totnes ist richtig cool», erzählt Esther. «Es gibt da eine Burg und mindestens sieben verschiedene Naturkostläden. Wir waren,
     glaube ich, in allen.»
    «Was wolltest du denn in Totnes?», frage ich Ben.
    «Ein paar Sachen für dich einkaufen», antwortet er leicht verlegen. «Hier.»
    Er gibt mir eine Tragetüte. Ich schaue hinein und sichte sofort das Papiertütchen einer Apotheke, in dem ich ein Päckchen
     Nikotinkaugummis finde. Bestimmt hat Ben auch die ganzen Medikamente, die der Todesdoktor mir dagelassen hat, zum Entsorgen
     in die Apotheke gebracht. Das hoffe ich zumindest.
    «Dem Himmel sei Dank», sage ich strahlend, wickele einen Kaugummi aus, stecke ihn in den Mund und fühle mich gleich viel besser.
     «Und was ist das noch alles?» Die Tüte enthält Süßigkeiten, exotische Päckchen mit Instant-Misosuppe, Obst, Bioschokolade,
     Lavendelshampoo und Conditioner und ein Aloe-Vera-Gel.
    «Ach, nur ein paar Kleinigkeiten, die dir vielleicht gefallen», sagt Ben.
    «Das Shampoo und den Conditioner habe ich ausgesucht», sagt Esther. «Und das Aloe-Vera-Zeug hilft, wenn der Juckreiz anfängt.»
    «Was denn für ein Juckreiz?»
    «Hast du vorher noch nie mit dem Rauchen aufgehört?»
    Ich schüttele den Kopf. «Nein   … Wieso?»
    «Wart noch ein paar Tage, dann fängt es an zu jucken wie Hölle. Glaub mir. Aber wenn es so weit ist, lässt du dich einfach
     vor dem Schlafengehen von Ben mit diesem Zeug einreiben, dann wird es gleich besser.»
    «Danke, Esther», sage ich. Ich kann mich vage erinnern, irgendwann im Radio gehört zu haben, dass Dylan Thomas immer schrecklichen
     Juckreiz bekam, wenn er mit dem Trinken aufhörte. Wie hat er das noch gleich genannt? Ratten im Hemd oder so ähnlich. Ob das
     in etwa das Gleiche ist? Ich glaube zwar nicht, dass ich das mit dem Nichtrauchen noch lange durchhalten werde, aber wer weiß?
    Ich suche in der Tüte nach irgendwelchen Süßigkeiten, die ich gleich aufmachen kann. Seltsames Gefühl, eine Tüte mit Süßkram
     und Schokolade vor sich zu haben und keine der Verpackungen und Markennamen zu kennen. Aber eigentlich auch ganz schön. Ein
     bisschen wie im Urlaub. Ich entdecke drei kleine harte Röllchen mit
CJ’s dynamischen Pfefferminzbonbons
, zwei runde Holzschachteln mit Booja-Booja-Pralinen (eine in der Geschmacksrichtung «Flambierte Banane», die andere mit «Mitternachts-Espresso»),
     eine Tafel

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