PopCo
etwas
ganz Besonderem zu werden. Wenn Hitler eine Marketingabteilung aus dem 21. Jahrhundert zur Verfügung gehabt hätte – hätte er den Nationalsozialismus dann vielleicht doch der ganzen Welt verkaufen können?
Nicht auszuschließen. Man sieht es direkt vor sich – eine schlanke, schöne Frau mit langem blondem Haar, das sanft im Wind
weht, und darunter der Slogan:
Weil ich es mir wert bin
. Ich bin es wert.
Ich
. Ich bin es wert, dass andere ihr Leben für mich lassen.
Es klopft. Ich schlucke. Als ich öffne, rechne ich eigentlich damit, ein ganzes Grüppchen draußen vorzufinden, darunter auch
Ben. Doch auf dem Flur steht nur eine Person: Chloë.
«Hallo», sage ich.
«Hast du meine Nachricht erhalten?»
«Ja», sage ich und setze dann hinzu: «Ich habe dich schon erwartet.»
Sie kommt ins Zimmer und setzt sich. «Du hast gewusst, dass ich es bin?»
Ich lächele sie an. «Du hast schließlich immer alle zur Ordnung gerufen, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster gelehnt haben.»
Chloë lacht. «Ja, es war schon komisch, so viele von uns gleichzeitig hier zu haben, und dann auch noch unter solchen Voraussetzungen.
Ich hoffe, es war nicht zu auffällig. Vielleicht bist du aber nur besonders aufmerksam. Das liegt ja auch nahe, bei deiner
Vorgeschichte.»
Ich sehe sie erstaunt an. «Du kennst meine Vorgeschichte?»
«Ja.»
Ich schweige einen Moment, während mir die Molltöne von Chloës Stimme noch in den Ohren klingen wie der Nachhall einer eingängigen
Volksweise. Sie schweigt ebenfalls. Offenbar wartet sie darauf, dass ich Fragen stelle. Davon habe ich auch mehr als genug.
«Warum?», frage ich. «Wer bist du? Was ist das für ein Krieg? Ich …»
Chloë nickt. «Du verstehst das alles nicht.»
«Richtig.»
Ich habe mich aufs Bett gesetzt und die Beine an den Körper gezogen. Chloë sitzt im Sessel. Sie seufzt, steht auf und geht
zur Tür, macht sie auf und wirft einen Blick in den Flur hinaus. Dann schließt sie die Tür wieder und kehrt zum Sessel zurück.
«Ich weiß nicht, ob es gut ist, hier zu reden», sagt sie. «Was ist rechts und links von dir?»
«Auf der Seite ist die Küche.» Ich deute mit dem Finger hin. «Und auf der anderen irgendein Vorratsraum. Es müsste eigentlich
sicher sein hier drinnen.» Plötzlich fallen mir die Leitungen in den Wänden ein. Diese verflixte Paranoia. Trotzdemstehe ich auf, schalte das Radio ein und stelle es recht laut. «Wenn wir leise reden, müsste es eigentlich gehen», sage ich.
Ich habe den Sender nicht mehr gewechselt, seit Ben Radio Zion eingestellt hat, und eine Sekunde lang habe ich die Befürchtung,
dass es vielleicht nie existiert hat und ich jetzt nur weißes Rauschen zu hören bekomme, doch als ich das Gerät einschalte,
erklingen sanfte Gitarrenakkorde und dann wieder die Frauenstimme. Ich höre die Namen «Slitscan» und «Laney».
Idoru
, denke ich.
Chloë lacht leise. «Ich hatte ja gehofft, dass du dich so verhalten wirst», sagt sie mit gedämpfter Stimme. «Aber wir waren
uns einfach nicht sicher …»
«Wer ist ‹wir›?», will ich wissen. «Ihr seid irgendein Anti-Pop-Co-Club, so weit bin ich schon. Aber … Woher wisst ihr von meiner Vorgeschichte? Und wozu die Geheimbotschaften?»
«Na gut.» Chloë schaut sich noch einmal um und lässt sich dann wieder auf dem äußersten Rand des Sessels nieder. «Es war ziemlich
schwierig. Wir wollten dich unbedingt anwerben, aber wir wussten nicht recht, wie. Bis gestern warst du uns noch ein ziemliches
Rätsel.»
Ich verstehe immer noch nur Bahnhof. «Wer ist ‹wir›?»
«Erzähle ich dir gleich. Ich … Für mich ist das alles auch noch neu, zumindest habe ich es so noch nie gemacht. Vermutlich kann ich einiges von dir lernen.»
Sie schaut zu dem munter vor sich hin plappernden Radio hinüber. «Das ist alles ein bisschen paradox, so wie diese Rätsel,
die wir Anfang letzter Woche lösen mussten. Wir waren uns einig, dass wir dich als Unterstützung rekrutieren wollen, aber
nicht sicher, ob du auch wirklich mitmachen willst. Und weil wir das, was wir tun, um jeden Preis geheim halten müssen, konnten
wir dich nicht einfach fragen. Aber ohne dich direkt zu fragen, konnten wir auch nicht herausfinden, ob du bei uns mitmachen
willst.» Sie unterbricht sich lachend. «Das klingt langsam wirklich nachSpionagethriller. Erst als wir gehört haben, dass du PopCo verlassen willst, hatte ich den Mut, dir eine so auffällige
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